14.12.2019
Antje Vollmer / Hans-Eckardt Wenzel: Konrad Wolf ‒ Chronist im Jahrhundert der Extreme

Fürwahr, Chronist im Jahrhundert der Extreme, ist treffend für Konrad Wolf. Die Autoren Antje Vollmer (West) und Hans-Eckardt Wenzel (Ost). Unprätentiös mit dem «Epilog als Prolog», August 1991. Moskau. Zitat: «Der Moskauer Putsch vom Sommer 1991 war ein Versuch, diesen Auflösungsprozess zu stoppen. Er misslang und es misslang auch der Versuch Gorbatschows, die sowjetische Gesellschaft zu reformieren. Die Sowjetunion zerfiel.»

Zitat: «In diesem Augenblick entstand das Foto, auf dem wir den ehemaligen Chef des Auslandsgeheimdienstes der DDR, Markus Wolf, sehen, den Sohn des Schriftstellers Friedrich Wolf und Bruder des Filmregisseurs Konrad Wolf. Markus Wolf war, ehe die DDR über den Beitrittsvertrag am 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland angegliedert wurde, aus dem Land geflohen. Die Sieger der Geschichte sannen auf Abrechnung mit den einstigen Gegnern. Rechtsanwälte hatten Markus Wolf geraten, das Land zu verlassen, seine Dokumente zu verwahren und sich in Sicherheit zu bringen, bis die Verfahrensweise mit dem Erbe der DDR geregelt war.»

Das musste Konrad Wolf nicht mehr, geboren am 20. Oktober 1925 in Hechingen - heute Bundesland Baden-Württemberg - verstorben am 7. März 1982 in Berlin/DDR.

Der Band öffnet den Blick auf Leben und Werk von Konrad Wolf, dem wichtigsten Filmregisseur der Deutschen Demokratischen Republik, zu der er sich bekannte. Als Sohn des Arztes, Schriftstellers (Cyankali - § 218) und Kommunisten Friedrich Wolf in Hechingen geboren – muss die Familie 1934 in die Sowjetunion emigrieren, wächst in Moskau auf, was ihn prägt. Als Soldat der Roten Armee wird er Offizier, befreit als 19-jähriger seine Heimat vom Faschismus. Für kurze Zeit war Wolf im April 1945 sowjetischer Stadtkommandant von Bernau bei Berlin. Bevor er am «Gerassimow-Institut für Kinematografie» - als WGIK abgekürzt der 1919 gegründeten Filmhochschule in Moskau sein Studium ab 1949 bis 1954 beginnen kann, ist er in der SMAD – Sowjetische Militäradministration – in Wittenberg und Halle (Saale) tätig. Früh kam er in der Sowjetunion mit dem Film in Berührung. Als Zehnjähriger ist er Darsteller in dem Film «Borzy» (Kämpfer) von Gustav von Wangenheim, KPD und Emigrant aus Deutschland. In diesem Film geht es um den Reichstagsbrandprozess und Georgi Dimitroff, einen bulgarischen Kommunisten, Generalsekretär der Komintern, der angeklagt war, den Reichstag angesteckt zu haben. Im Prozess in Leipzig konnte der glänzende Rhetoriker immer wieder den preußischen Ministerpräsidenten Herman Göring in die Rolle des Angeklagten drängen.

Nach seinem Studium in Moskau arbeitete Wolf als Regisseur bei der DEFA. Seine Kriegerlebnisse werden in dem 1968 gedrehten Film «Ich war neunzehn» filmische Autobiografie.

Zeit seines Lebens beschäftigte Konrad Wolf ein Thema: Das Verhältnis zwischen Deutschen und Russen. So auch 1981 in Berlin, auf Einladung der Akademie der Künste mit zahlreichen namhaften Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern über die Gefahr eines Kriegs zu sprechen. Es war die Zeit nach dem NATO-Doppelbeschluss von 1979, in einer Zeit des atomaren Wettrüstens der beiden Supermächte weltweit Besorgnis erregte. Auch Konrad Wolf sprach damals, plädierte dafür, die Sowjetunion nicht als aggressive Macht zu sehen. Seine autobiografische Begründung: « Ich erlebte unmittelbar, zwei Jahre auf der Seite der Roten Armee, die verbrannte Ukraine, das zerstörte Kiew, zwei Tage nach der Befreiung von Majdanek, dann das brennende Warschau, das Inferno in Berlin, schließlich das KZ Sachsenhausen und das Zuchthaus Brandenburg.»

Den sechsteiligen Dokumentarfilm «Busch singt» - über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ist auch Konrad Wolf Hommage an Ernst Busch, dem Kommunisten, Sänger, Schauspieler, auch Tauber der Arbeiterkasse genannt - konnte Wolf nicht mehr beenden. Die Teile: 1936 oder Das Fass der Pandora - Aurora – Morgenrot - Nur auf die Minute kommt es an - In Spanien - Ein Toter auf Urlaub - wurde vollendet von Reiner Bredmeyer, Erwin Burkert, Ludwig Hoffman und Peter Voigt.

Begegnet bin ich Konrad Wolf einmal in Moskau, Anlass war das Internationale Moskauer Filmfestival 1981. Zum Abschied wurden nach der Preisverleihung alle Teilnehmer in den Georgssaal im Kreml gebeten. Für das Bankett war aufgetischt. Konrad Wolf kannte wie gefeiert wurde, ich musste das noch lernen - das mit Wodka und Kaviar.
Eine bleibende Erinnerung für mich die Uraufführung seiner Dokumentarfilme «Busch singt» auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilme (Dokfilmwoche) in 1982.

«Die Andere Bibliothek» - Konrad Wolf - Band 416 der Reihe – bringt dem Leser den Filmregisseur und Präsidenten der Akademie der Künste näher, räumt mit Vorurteilen auf.
khw


Antje Vollmer u. Hans-Eckard Wenzel:
Konrad WolfChronist im Jahrhundert der Extreme

DIE ANDERE BIBLIOTHEK, Band 416, Berlin 2019
467 Seiten – zahlreiche Fotos – 42,00 EUR