10.12.2019
Ulrike Hermann: DEUTSCHLAND, EIN WIRTSCHAFTSMÄRCHEN
Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind

Die Wirtschaftskorrespondentin der «tageszeitung», eine ausgebildete Bankkaufrau, studierte an der FU Berlin Geschichte und Philosophie, klärt den Leser mit ihrem Buch über den Erfinder der «sozialen Markwirtschaft» Ludwig Erhards auf. Auf Wikipedia steht: «Ludwig Wilhelm Erhard (* 4. Februar 1897 in Fürth, gestorben 5. Mai 1977 in Bonn) war ein deutscher Politiker (CDU) und Wirtschaftswissenschaftler. Er war von 1948 bis 1949 Direktor für Wirtschaft und anschließend von 1949 bis 1963 Bundesminister für Wirtschaft und galt in dieser Funktion als Vater des „deutschen Wirtschaftswunders“ und des als „Soziale Marktwirtschaft“ gekennzeichneten Wirtschaftssystems der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem war er von 1957 bis 1963 Vizekanzler. Von 1963 bis 1966 war er – nach Konrad Adenauer – der zweite Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland.»

Erhard nahm am Ersten Weltkrieg als Soldat der «Bayerischen Armee» teil, wurde kurz vor Kriegsende im September 1918 bei Ypern von einer Handgranate schwer verwundet, schied 1919 als Offiziersaspirant aus der Armee aus. Ohne Abitur studierte er an der neu gegründeten Handelshochschule Nürnberg, erwarb das Diplom als Kaufmann. An der Universität in Frankfurt/Main setze er seine Studien in der Betriebswirtschaftslehre und Soziologie fort und erwarb mit seiner Promotion bei Franz Oppenheimer über «Wesen und Werteinheit» den akademischen Titel eines «»Dr. rer. Pol.

Ab 1933 ist der Volkswirt Erhard Geschäftsführer beim Nürnberger „Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware“. Dort ist die Marktforschung zu Hause. Ab 1938 arbeitete er eng mit Josef Bürckel zusammen, zuerst «Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich«, von 1940 bis 44 «Reichsstatthalter der Westmark » mit Sitz in Saarbrücken, weiter ist er «Chef Zivilverwaltung in Lothringen». Für Bürckel verfasste Erhard unter anderem eine Studie, welche «Gesichtspunkte bei der Verwertung des volksfeindlichen Vermögens zu beachten» zu beachten sind. Damit ist das Eigentum der deportierten Juden und aufsässigen französischen Politikern gemeint.

1940 ist die «Haupttreuhandstelle Ost» einer der Großkunden Erhards, die in den von den Nazis annektierten Polen tätig sind, für die er ein wirtschaftliche Gesamtkonzept für den «deutschen Ostraum» entwirft. Dazu schreibt Erhard: «Das polnische Volk hat weder die Gestaltungskraft noch den Gestaltungswillen, die es zu so wahrhaft kultureller Leistung befähigt.» Erhards Botschaft lautet: «Die Polen können froh sein, dass sie von den Deutschen enteignet wurden, nun übernimmt der germanische Sachverstand.»

Ludwig Erhard dachte in den Jahren ab 1933 bis zum 8. Mai 1945 in völkischen Kategorien der Nationalsozialisten. Ihm blieb erspart, dass das später in der Bundesrepublik nicht angelastet wurde.

In der Einleitung schreibt die Autorin: «Die Bundesrepublik wird jetzt 70 Jahre alt, und schon ihr Anfang ist sagenumwoben: Nach dem Zweiten Weltkrieg soll Westdeutschland angeblich einzigartiges „Wirtschaftswunder“ erlebt haben, das allein der Währungsreform zu verdanken sei. Wie in jedem Märchen gibt es auch einen Helden: Ludwig Erhard. Selbst Grüne lassen sich inzwischen mit seinem Konterfei abbilden. Ganz allein soll Erhard die neue D-Mark eingeführt und die „Soziale Marktwirtschaft“ erfunden haben. In diesem Narrativ ist Erhard ein überragender Ökonom und Staatsmann, der Deutschland aus tiefster Not gerettet hat. Nichts davon stimmt.»
Auch Ludwig Erhard war wie viele ein Nazi-Profiteur. Verdient dieser Mann, dass nach ihm Straßen benannt werden?
khw


Ulrike Herrmann: DEUTSCHLAND, EIN WIRTSCHAFTSMÄRCHEN
Warum es kein Wunder ist, dass wir nicht reich geworden sind

Westend Verlag, Frankfurt/Main 2019
320 Seiten – 24,00 EUR