10.12.2019
Raul Zelik: DIE LINKE IM BASKENLAND ‒ Eine Einführung

Raul Zelik, 1968 in München geboren, Politikwissenschaftler, arbeitet seit 1992 als freier Autor. Sein Debütroman «Friss und stirb trotzdem» veröffentlichte die Edition Nautilus 1997. Ab 1999 folgen vor allem Sachbücher zu Lateinamerika. 2010 veröffentlichte er ein Gesprächsbuch mit dem marxistischen Ökonom Elmar Altvater.
In den Jahren 1990 – 1995 studierte Zedik an der FU Berlin Politikwissenschaft und Lateinamerikanistik. Seitdem publiziert er regenmäßig fachwissenschaftliche Bücher, schreibt für die Schweizer «Wochenzeitung» die in Berlin verlegte Tageszeitung «junge Welt.»

Der Band «Die Linke im Baskenland » ist Raul Zeliks jüngste Arbeit. Dazu schreibt er: «Viele Jahre lang wurde das Baskenland fast ausschließlich mit den Anschlägen der ETA in Verbindung gebracht. Die Bilder der Autobomben machten die Ursachen des Konflikts und die politischen Ziele der Unabhängigkeitsbewegung weitgehend unsichtbar. Spanische und europäische Medien zeichneten das Bild eines ethnischen, gegen demokratische Grundrechte gerichteten Terrors. An den ETA-Attentaten, die zwischen 1968 und 2010 mehr als 800 Menschen das Leben kostete, gibt es nichts zu beschönigen, und doch ist diese Darstellung nicht nur unvollständig, sondern falsch. Sie unterschlägt, dass der baskische Konflikt - ganz ähnlich wie der irische - tiefe historische Wurzeln hat und dass die Unabhängigkeitsbewegung im Baskenland noch sehr viel deutlicher als die nordirische IRA immer auch ein Projekt der sozialen Emanzipation verfolgte. In keiner anderen westeuropäischen Region hat es nach 1975 so starke und vielfältige Massenkämpfe gegeben wie im Baskenland, nirgends sonst war die staatliche Repression so massiv und das Geflecht aus sozialen Bewegungen und linken Organisationen so dicht. Dieser verschütteten Geschichte der baskischen Linken widmet sich das vorliegende Buch.

Einige Teile davon erschienen 2017 unter dem Titel «La izquierda abertzale acertó» im baskischen Verlag Txalaparta.

Die Publikation war ein Beitrag zur Diskussion im Baskenland, wo viele Anhänger/innen der Unabhängigkeitsbewegung nach dem Ende der ETA 2011 über die Neuausrichtung linker Politik nachdachten. Über 50 Jahre lang war der bewaffnete Widerstand zentraler Bestandteil des Kampfs um Selbstbestimmung und sozialen Veränderungen gewesen. Obwohl die Anschläge der ETA auch in der Unabhängigkeitsbewegung immer umstritten gewesen waren, hatte die Untergrundorganisation doch für einen großen Teil der Linken eine wichtige Referenz dargestellt. Die Tatsache, dass nach so vielen Jahrzehnten des Kampfs keine Verhandlungslösung und nicht einmal Hafterleichterungen für die 700 Gefangenen durchgesetzt werden konnten, führte bei vielen Linken zu großer Verunsicherung.

Dieses Buch ist der Versuch, die Erfolge der Unabhängigkeitsbewegung in der Alltags- und Organisierungsarbeit herauszuarbeiten und zu fragen, was hiervon nach dem Strategiewechsel der Linken Bestand haben könnte. Aus diesem Grund wird im zweiten Teil des Buchs jedes Kapitel mit einer Art Kontextualisierung eingeleitet. So wird beispielsweise der gramscianische Hegemoniebegriff skizziert, bevor die Bedeutung der Populär- und Gegenkultur für die Verankerung der baskischen Linken untersucht wird. Diese Herleitungen sollen aufzeigen, inwiefern bestimmte Aspekte linker Politik im Baskenland (hinsichtlich der kulturellen Arbeit und lokalen Verankerung, des Verhältnisses zwischen außerparlamentarischen Bewegungen und institutioneller Politik, der soziologischen Zusammensetzung und Organisationskultur sowie auf dem Feld der Solidarökonomie) auch außerhalb des Baskenlands relevant sein könnten.

Es versteht sich dabei von selbst, dass sich die baskischen Erfahrungen grundsätzlich von jenen in Deutschland und Österreich unterscheiden. Dass sich Linke im Baskenland auf Folklore beziehen, hat mit der Repression, die die baskische Kultur vor allem während der Franco-Diktatur erlitt und die jene widerständig aufgeladen hat. In Deutschland oder Österreich, wo es keine Unterdrückung der Populärkultur durch den Nationalstaat gab, stellt sich die Lage völlig anders dar. Man muss sich also bei der Lektüre vergegenwärtigen, dass auch innerhalb der EU ganz unterschiedliche Dinge gemeint sein können, wenn von Gemeinschaft, Sprache, eigener Kultur die Rede ist. Zeichen, die in Deutschland eindeutig rechts besetzt sind (wie zum Beispiel eine Nationalfahne), haben im Baskenland eine grundlegend andere Bedeutung. Eine baskische Fahne mit Antifa-Emblem oder dem feministischen Venussymbol zu sehen ist beispielsweise alles andere als ungewöhnlich.

Vorausgeschickt werden muss auch, dass der Begriff der «baskischen Linken« eine Vereinfachung ist. Im Baskenland gibt es selbstverständlich auch eine Linke, die nicht für die Unabhängigkeit eintritt. Die spanischen Linksparteien Izquierda Unida und neuerdings Podemos, die Gewerkschaften CCOO und UGT, anarchistische und autonome Gruppen existieren auch im Baskenland. Dieses Spektrum wird nicht deshalb hier unterschlagen, weil ihm die Eigenschaft abgesprochen werden soll, links und baskisch zu sein, sondern aufgrund eines Übersetzungsproblems. Dieses Buch beschäftigt sich fast ausschließlich mit der Izquierda Independentista, die sich seit den 1970er Jahren um die Wahlbündnisse Batasuna und EH Bildu herum gruppiert und mit der lateinamerikanischen Linken mehr Gemeinsamkeiten aufweist als mit der französischen PCF oder der spanischen Izquierda Unida.»

Der kleine Band beschreibt die Linke im Baskenland genau und detailliert.
khw


Raul Zelik: DIE LINKE IM BASKENLAND

Verlag Mandelbaum kritik & utopie, Berlin 2019
125 Seiten, mit Glossar u. Zeittafel - 12,00 EUR