25.11.2019
Ilsa Barea-Kulcsar: TELEFÓNICA – Roman

Die Autorin Ilsa Barea beschreibt in ihrem Roman den spanischen Bürgerkrieg vom 16. bis zum19. Dezember 1936 in der Telefónica in Madrid, in der sich die republikanische Pressezensur befindet. Der Ort der Handlung ist ausschließlich das Hochhaus der Edificio Telefónica an der Gran Via und den umliegenden Straßen der Stadt. Die Konstruktion des Gebäudes aus Sandstein und Granit war im Jahr seiner Erbauung 1920 wegen ihrer puristischen Gestaltung eine architektonische Sensation. In diesen Jahren war das Gebäude mit 88 Metern das höchste von Madrid. Auch hatte es eine epochale Bedeutung für Spanien, wurde mit diesem Haus die Wolkenkratzerarchitektur im Land eingeleitet.

Der Roman Telefónica überrascht, da er auch die politischen Differenzen zeigt, die bei den Verteidigern der 2. Spanischen Republik vorhanden sind. Als deutsche Journalistin und emanzipierte Frau mit einem politischen Weitblick, bringt sich die Autorin als Anita Adam in den Roman ein. Auch sie will die Republik gegen den Franco-Putsch verteidigen, arbeitet in der republikanischen Zensurstelle im Telefóncia-Gebäude. Hier muss sie vermitteln zwischen den Wünschen der internationalen Journalisten und der militärischen Geheimhaltung. Der Versuch die Pressezensur zu modernisieren gerät sie zwischen die politischen Mühlsteine, was für sie gefährlich enden kann. Im Kommandanten der Telefónica Augustín Sánchez hat Anita Adam einen Verbündeten.

Dokumentarisch beschreibt Ilsa Kulcsar das Hochhaus und was sich in den Dezembertagen1936 abspielt: «Die Telefonica hatte dreizehn Stockwerke und zwei Kellergeschosse. Zutiefst unter der Erde waren die Flüchtlinge aus den Außenbezirken und Umgebungsdörfern Madrids. Im dreizehnten Stock war der Artilleriebeobachtungsposten. Dazwischen, in die Räume von zwölf Stockwerken zusammengepresst, die Maschinerie des Telefonnetzes für ganz Spanien und zugleich ein Querschnitt durch das Madrid der Belagerung: andere Flüchtlinge; Arbeiter; Polizisten; Milizposten; Erste-Hilfe- Station; Beamte; von jedem Verkehr ängstlich abgesperrt, die Beobachtungsoffiziere des Generalstabes; als Fremdkörper, isoliert, die Funktionäre der amerikanischen Kapitalisten, denen die Telefónica und das Telefonmonopol in Spanien gehörten, derzeit entmachtet durch die Staatskontrolle; das Militärbüro, oberste Verwaltungsinstanz des Gebäudes, in dem nur Agustín saß; eine Ausspeisungshalle; Notbetten in allen möglichen Räumen für die Leute vom Nachtdienst; ein Heer von Telefonisten, die zum Teil im Hause schliefen, um nicht im Granatenregen von und zur Arbeit gehen zu müssen; im vierten Stock die Journalisten der ausländischen Presse; im fünften die Pressezensur, Abteilung des Außenministeriums, und die Horchzensur, Komitee der Telefonica-Beamten; dazwischen Maschinen und wieder Maschinen, kostbar und fast unersetzlich; dann die Gewerkschaftsräume, der Arbeiterrat - Consejo Obrero - und dessen Institutionen; die Plakate der Organisation; die Materialien für die Reparaturen; das technische Leben, das politische Leben, das militärische Leben, Schreibmaschinen und Scherenfernrohre. Und, durch den Bau quer durch, die fünf gewaltigen Fahrstuhlschächte und die enge, bei Panik so gefährliche Wendeltreppe. Das alles war nun der Zielpunkt für die Kanonen und die Fliegerbomben der Faschisten.»

Am 20. September 1902 in Wien als Ilse Wilhelmine Elfriede Pollak geboren, Der Vater Valentin Pollak ist ein überzeugter Sozialdemokrat und ein fortschrittlicher Pädagoge. Bereits an der Schwarzwaldschule war Ilse, vom Vater politisch geprägt, für die Sozialistische Mittelschülerbewegung aktiv tätig. Nach ihrem Abitur beginnt sie 1920 in Wien ein Politik- und Jurastudium, das erst 1928 beendet wird. Bereits 1921 nimmt sie teil am II. Internationalen Jugendkongress in Berlin und Moskau. Ein Jahr später heiratet sie den Bankangestellten Leopold Kulcsa, im Hauptberuf Revolutionär und Mitglied der KPÖ. Auch Ilse tritt der Partei bei. Einige Jahre später wird das Ehepaar im Ungarn von Miklós Harthy wegen Spionage für die Sowjetunion verhaftet. Die KPÖ hilft nicht, es kommt zum Bruch mit der Kommunistischen Partei.

Am 17. Juli 1936 Putsch in Spanien das Militär gegen die 2. Spanische Republik. Aus aller Welt kommen der von reaktionären Militaristen bedrängte spanische Republikaner zur Hilfe. In dem Liedtext von Erich Weinert zu den Internationalen Brigaden heißt es im Refrain: «Doch wir haben unsere Heimat nicht verloren, unsere Heimat liegt heute vor Madrid.» Diesem Aufruf zur Hilfe folgt auch Ilsa Kulscar, am 1. November 1936 landet sie in Alicante, hat ein nächtliches Gespräch mit André Malraux. Am 2. November geht es mit dem Flugzeug weiter nach Madrid, arbeitet für die spanische Republik in der Zensurabteilung im Telefónica-Haus.

Am 28. Januar 1938 stirbt Leopold Kulcsar in Prag. Der Tod macht es Ilsa möglich, dass sie den spanischen Schriftsteller Arturo Barea, sie haben sich in der Telefónica kennengelernt, am 17. Februar 1938 in Barcelona heiraten kann. Bereits fünf Tage später verlassen sie Spanien, gehen ins Exil nach Paris. Hier beginnt Ilsa Barea ihren Roman «Telefónica», zu scheiben. Die Bareas besitzen nur eine Schreibmaschine, müssen sich bei der Arbeit abwechseln. Dank eines Lottogewinns können sie in Paris ihre Schulden bezahlen, zwei Passagen für eine Schiffsreise nach England kaufen, das Land wird das zweite Exil. In Hertfordshiren beendet Ilsa Barea-Kulcsar am 31. März 1939 ihren Roman «In der Telefónica». Ab Ende August 1939 arbeitet sie für den Morning Service, dem Abhördienst der BBC.

Arturo Barea stirbt am 24. Dezember1957 an einem Herzinfarkt, Ilsa Barea-Kulcsar kehrt 1965 als Witwe zurück nach Wien, arbeitet als Journalistin für den ÖGB und der SPÖ, stirbt hier am 1. Januar 1973.
Die erste Veröffentlichung des Romans «Telefónic» in 70 Folgen erscheint vom 13. März bis 4. Juni 1949 in der Wiener «Arbeiter-Zeitung». Dank gehört Georg Pichler - Professor für Deutsche Sprache und Literatur an der Universidad de Alcalá (Madrid) - das «Telefónica» erstmals als Buch erscheint.
khw


Ilsa Barea-Kulcsar: Telefónica - Roman

Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Georg Pichler
Edition Atelier, Wien 2019
Gefördert v. Bundeskanzleramt Österreich Kunst
ÖGB - Institut für Gewerkschafts- und AK Geschichte
352 Seiten - sw-Fotos - 25,00 EUR