16.08.2019
Hans Kratzer und Sebastian Beck: Zeitlang – Erkundungen im unbekannten Bayern

Aufmerksam auf den Buchtitel wurde ich Anfang Juli in der Kultursendung «Capriccio» im Bayerischen Fernsehen. Diese Sendung bürstet Bayern gegen die Staatsregierung von CSU und FREIE WÄHLER. In ihrem Text- und Bildband zeigen die Journalisten der «SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG» in ihrem Band ein eigenwilliges und ungewohntes Bild vom Freistaat, das Abseits von Alpen, München und Tegernsee. Es ist nicht mehr das Land von Dirndl, Lederhosen und Schnupftabak.

In ihrem Buch schreiben sie: «Zeitlang bedeutet nicht nur Heimweh und Sehnsucht, es drückt auch Langeweile aus. Ludwig Tieck, ein Dichter der Romantik, nannte die Langeweile „das ist das schlimmste Pockengift, das sich in diese arme Welt eingeschlichen hat“.»

An einer anderen Stelle zum Begriff «Zeitlang» ist es Hans Wimmer, der zitiert wird: «Der Bildhauer Hans Wimmer wurde als Dorfbub häufig zum Sauhüten delegiert. Die dabei erlebte Langweile hat er in seinen Erinnerungen bildhaft dargestellt: „Auf dem Rückend liegend, die Füße übereinandergeschlagen, einen Strohhalm in dem Mund, so ergaben wir uns der Faulenzerei.»

Heute im Zeichen von Smartphones werden Kinder diese Erfahrungen nicht mehr machen. Zu den Werken des Bildhauers Hans Wimmer, entgegen dem Zeitgeist schuf er figürliche Werke.

Über Bayern heißt es: «Die Widersprüche des Landes Bayern treten besonders in seinen Landschaften zutage, die eine Vielzahl europäischer Geländeformen abbilden. Manchmal wirken sie theatralisch und extrovertiert wie jene Bergwelten, in die Wieskirche, Neuschwanstein und der Linderhof eingebettet sind, manchmal sind sie monoton wie die Agrarsteppe des Gäubodens, und bisweilen zeigen sie eine schroffe, unberührte Weite wie die nördliche Oberpfalz und die Hochebenen der Allgäuer Alpen.»

Die eindrucksvollen Texte von Hans Kratzer sind eingebettet in die nicht weniger Aussage kräftigen Fotos von Sebastian Beck, die zum Teil über eine Doppelseite gedruckt, zeigen ein bisher unbekanntes Bild vom Freistaat Bayern.

Auch diese Zeilen von Sebastian Beck teilen mit, wie es im Land aussieht: «Katharina Walker zählte zu den letzten Frauen im ländlichen Bayern, denen die Annehmlichkeiten der Moderne, Strom, Heizung, fließendes Wasser, versagt blieben. Anderswo hat der Fortschritt solche Regionen früher erreicht, nicht selten lautlos und unbemerkt. „Du gehst tausendmal vorüber und es fällt dir nichts Besonderes auf,“ schrieb der Schriftsteller Oskar Maria Graf. „Einmal aber - du kannst nicht einmal sagen warum - siehst du: Es ist vieles ganz, ganz anders geworden!“ Auf diese Weise ist auch der Hof der Katharina verschwunden, ebenso die Telefonzelle, das Erdinger Moos und vielerorts der vertraute Klang des Dialekts.»

Der Band ist eine text- und bildliche Reise in den - besonders für Norddeutsche - in Teilen unbekannten Freistaat Bayern.
khw


Hans Kratzer und Sebastian Beck: Zeitlang
Erkundungen im unbekannten Bayern

Süddeutsche Zeitung Edition, München 2018
Bild- und Textband - 172 Seiten – 28,00 EUR