26.08.2019
Cornelia Kogoj - Christian Kravagna: DAS AMERIKANISCHE MUSEUM
Sklaverei, Schwarze Geschichte und Kampf um Gerechtigkeit in Museen der Südstaaten

Die Wahl des US-Präsidenten Barack Obama im Amt vom 20. Januar 2009 bis 20. Januar 2017 - nährte in den Staaten die Illusion einer Gesellschaft ohne Rassismus. Aber es blieb die große Illusion. Mit dem Wechsel zum 45. US-Präsidenten Donald Trump ist eine US-Gesellschaft in weite Ferne gerückt. Zugenommen haben die Tötungen von schwarzen Menschen, hinzu gekommen sind inzwischen auch Latinos.

Die Autoren schreiben: «Das amerikanische Museum ist das Ergebnis einer sechsmonatigen Reise durch den amerikanischen Süden. In den ereignisreichen Jahren des Übergangs von der Obama-Präsidentschaft zur Trump-Administration haben wir zwischen 2015 und 2018 in vier Etappen etwa 80 Museen in den USA besucht, um diverse Ansätze der Ausstellung jener amerikanischen Geschichte zu studieren, die im Hintergrund der aktuellen Debatten über Rassismus, weiße Vorherrschaft und die Illusion einer post-racial society steht. Unser Interesse galt der musealen Behandlung von Geschichte und Politik in einer Gesellschaft, die sich gespalten zeigt, wenn es um die Frage ihrer Werte und Traditionen geht. Die amerikanische Geschichte als Geschichte der Sklaverei, des Rassismus und der Kämpfe um Gleichberechtigung ist auf allen Ebenen des politischen und kulturellen Diskurses umstritten. Dies reicht von der Beschwörung eines früher großartigeren Amerikas, auf die Donald Trump seine Präsidentschaftskampagne stützte, über die Bezüge neuer antirassistischer Bewegungen auf Protestformen des Civil Rights Movement und die Anti-Lynch-Kampagnen des frühen 20. Jahrhunderts bis zu den popkulturellen Referenzen von Künstler/innen wie Kendrick Lamar oder Beyonce auf die Plantagen des Südens und die Ästhetik der Black Panthers.

Wer vor dem Hintergrund der Kontroversen um race und amerikanische Geschichte die Darstellung ihres Streitgegenstands in Museen studieren will, dem stellen sich einige Fragen: Was können uns Museen über die Gegenwärtigkeit der amerikanischen Geschichte in Bezug auf ihre Ideale wie Freiheit und Demokratie beziehungsweise ihre ökonomischen und sozialen Fundamente in der Versklavung und systematischen Diskriminierung von Minderheiten mitteilen? Auf welche Weise manifestiert sich der politische Streit um Geschichte in Institutionen der Geschichtsschreibung? Welche Verfahren kommen zur Anwendung, wenn Museen rassistische Bilder und Dokumente der Gewalt gegen unterdrückte Menschen ausstellen?

Die Problematik der musealen Präsentation von rassistischen Stereotypen bildete eine der Ausgangsfragen unserer Forschungsreise. Tatsächlich war unser erster Ansatz - lange, bevor die Idee zu diesem Buch aufkam - darauf ausgerichtet, von den amerikanischen Lösungsansätzen zu lernen. In den letzten zwanzig Jahren waren wir als Kritiker und Lehrende wie auch als Ausstellungsmacher wiederholt mit der Frage des angemessenen Umgangs mit stereotypen Darstellungen von diskriminierten Gruppen (Schwarze, Migranten und Migrantinnen, Juden und Jüdinnen, Roma und Sinti und andere) in Ausstellungen oder Sammlungspräsentationen konfrontiert. In der eigenen Praxis war dies unter anderem in der Konzeption der Ausstellungen Gastarbajteri - 20 Jahre Arbeitsmigration (2004) und Romane Tana - Orte der Roma und Sinti (2014), beide im Wien Museum, sowie LivingAcross - Spaces of Migration (2010) in der Akademie der bildenden Künste Wien der Fall. Während die repräsentationskritische Arbeit an rassistischen (und anderen) Stereotypen in Teilen des Kunstfeldes und der Kulturwissenschaften sowie in den aktivistischen und publizistischen Kontexten der kritischen Migrationsforschung und der antirassistischen Bewegungen seit den 1990er Jahren eine wichtige Stellung einnimmt, ist ein vergleichbares Problembewusstsein in den meisten österreichischen und deutschen Museen nicht gegeben. Nur langsam und oft zögerlich beschäftigen sich Museen mit den Konventionen des Zeigens und den Politiken des Sichtbarmachens als gesellschaftlich relevante Praktiken, die ethnisierte Ungleichheiten im sozialen und politischen Gefüge einer Gesellschaft sowohl bestätigen beziehungsweise verstärken oder aber in Richtung ihrer Aufhebung verschieben können. Unsere Erwartung in Bezug auf das »Lernen von den USA« richtete sich auf einen kritischen Umgang mit Stereotypen und ein reflektiertes Behandeln der historischen Darstellungen über innovative Lösungen der Dialektik von Zeigen und Verbergen derart belasteten Materials. Welche Modelle werden entwickelt, um rassistische Bilder, die Teil der amerikanischen Geschichte sind und deshalb nicht einfach unter den Tisch der musealen Praxis fallen können, in Präsentationen so einzusetzen, dass sie eine kritische Geschichtsbetrachtung unterstützen, ohne zugleich die symbolische Gewalt solcher Bilder zu reproduzieren? Welche Rolle spielen Techniken und Ästhetiken des Displays in Ausstellungsgestaltungen für eine erkenntnisfördernde Lektüre stereotyper Bilder?»

Fazit der Autoren: Die Geschichte macht den Mythos kaputt. Vor genau 400 Jahren kamen die ersten versklavten Afrikaner an der Westküste der heutigen USA an. Seit 1619 bildeten die ersten 20 Afrikaner, die in White Lion in Virginia ankamen über Jahrhunderte die ökonomische Basis für die Entwicklung der damaligen englischen Kolonien in Staaten. Mit den Sklaven als Kapital erkämpfte sich eine weiße Gesellschaft für im Unabhängigkeitskrieg die Unabhängigkeit von England. Auch in der «Declaration of Independece from 1796» wurden die Afrikaner vergessen. Und das ist noch immer so in den Staaten, wozu auch heute neben den Afrikanern, die Indigenen Völker, auch die Latinos zählen.
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khw


Cornelia Kogoj u. Christian Kravagna:
DAS AMERIKANISCHE MUSEUM
SKLAVEREI, SCHWARZE GESCHICHTE UND DER KAMPF
UM GERECHTIGKEIT IN MUSEEN DER SÜDSTAATEN

Mandelbaum Verlag Wien – Berlin 2019
268 Seiten - mit zahlreichen Abbildungen - 18,00 EUR