28.07.2019
ARNO RINK Ich male!

Vom 18. April bis 19. August 2018 zeigte das «Museum der bildenden Künste Leipzig» die Ausstellung:
ARNO RINK – ICH MALE!

Aus diesem Anlass veröffentlichte das Museum unter dem Namen der Ausstellung eine Publikation und wurde über den Verlag Hirmer, München, herausgegeben. Auf 233 Seiten wird mit Bild und Text das Werk von Arno Rink eindrucksvoll und fassettenreich vorgestellt.

Alfred Weidinger, Direktor des Museums und Herausgeber des Katalogs schreibt: «Arno Rink lernte ich kennen, als die Ratsversammlung der Stadt Leipzig mich im Sommer 2017 einstimmig zum Direktor des Museums der bildenden Künste Leipzig ernannte. Ich hatte über ihn gelesen und kannte einige seiner Bilder, aber persönlich getroffen hatte ich ihn nie. Da die Ernennung für mich auch bedeutete, Wien zu verlassen und in eine mir bislang fremde Stadt zu ziehen, hatte ich das große Bedürfnis, die Neuigkeit mit jemandem in eben dieser Stadt zu teilen. Einiges sprach für die mir bereits bekannten Künstler und Galeristen, noch viel mehr aber dafür, den Neuanfang tatsächlich auf unbekanntem Terrain zu machen. So entschied ich mich für Arno Rink. Seine Telefonnummer war schnell herausgefunden. „Ich bin der Neue.“, stellte ich mich vor, „Ich weiß, schon davon gehört.“, antwortete er. Wir vereinbarten ein Treffen. Wenige Wochen später saßen wir gemeinsam auf der Terrasse vor seinem Atelier in der Pistorisstraße. Arno Rink war zu diesem Zeitpunkt bereits unheilbar krank. Doch obwohl ihm bewusst war, dass seine Zeit knapp bemessen war, begann er mit mir eine Ausstellung zu planen. Woche für Woche trafen wir uns am Donnerstag und sprachen über sein Leben. Er erzählte von seiner Kindheit und seinen Eltern; über Erlebnisse während des Heranwachsens zu einem jungen Mann, der beschloss Künstler zu werden; von den Zweifeln während seiner Zeit in Dresden und dem so wichtigen Entschluss, 1963 nach Leipzig zu gehen. Dort fand er den Nährboden für sein weiteres künstlerisches Schaffen.
Diese persönlichen Gespräche waren ein Geschenk für mich, das mich in meiner neuen Heimatstadt Leipzig willkommen hieß. Durch sie bin ich viel schneller und schöner hier angekommen, als mir das jemals möglich erschien.»

Über Arno Rink und die Leipziger Schule schreibt der Kulturwissenschaftler Paul Kaiser: «Arno Rink ist zweifellos der Phänotyp der sogenannten zweiten Generation der Leipziger Schule. Wenn die Rede in Bezug auf die in Leipzig zur Blüte gebrachte Malerei Sinn ergibt, dann nur, wenn man den Generationenbegriff auf Jahrgänge anwendet, die das von der „Gründergeneration“ etablierte Modell in den 1970er und frühen 1980er Jahren facettenreich vervielfachte, ohne dabei die Autorität ihrer „Väter“ generell infrage zu stellen. Dies erscheint folgenreich hinsichtlich der Beschreibung jenes mentalen Gruppengefühls und institutionellen Spannungszusammenhanges, der sichtbar wird, wenn man versucht, hinter den Kulissen der Leipziger Schule einen Ordnungssinn zu erblicken. Man muss sich erinnern: Das gemeinsame Motiv der Gründergeneration war, neben dem Willen zum Erfolg, die intentionale Abgrenzung gegen die Simplifizierungen der poststalinistischen Ära in der DDR gewesen. Die Kriegserfahrung von Militanz, Verwundung und Gefangenschaft erzeugte einen geteilten erfahrungsgeschichtlichen Hintergrund: Bernhard Heisig, der für Arno Rink zu einer hochschulpolitischen Leitfigur werden sollte (trotz aller damit einhergehenden Reibungseffekte), hatte in der 12. SS-Panzerdivision Hitler-Jugend gekämpft. Wolfgang Mattheuer wurde als Gebirgsjäger in der Slowakei verwundet und Werner Tübke, der mit dem Glück des Jüngeren nicht mehr einberufen wurde, geriet unmittelbar nach Kriegsende wegen haltloser Werwolf-Verdächtigungen in eine harte achtmonatige Haft der sowjetischen Besatzer und musste, obwohl er unschuldig inhaftiert war, die Deportation nach Sibirien befürchten. Fraglos bestand unter den späteren Hauptakteuren, wie auch den später in die „zweite Liga“ abgedrängten, für die Durchsetzung der Leipziger Malschule jedoch wichtigen Kollegen Harry Blume, Hans Mayer-Foreyt und Heinrich Witz ein Generationszusammenhang: In den 1920er Jahren geboren, hatten sie die radikalen historischen Brüche von Nationalsozialismus, Weltkrieg, russischer Besatzung und Gründung der DDR als junge Männer miterlebt und grundlegend erfahren, dass individuelles Überleben in solchen Zeitläufen keine Gewissheit darstellt. Eine Generationsprägung, die sich noch in den späteren Historienbildern der Künstler ausdrückte. Im Gegensatz zur teleologischen Heilsgeschichte des SED-Geschichtsnarratives erschienen bei Heisig historische Verläufe eher als ziellose und gewaltsame Abfolgen der Epochen, denen das Individuum hilflos ausgeliefert scheint und in die es doch abgründig verstrickt ist, während Tübke in seinen Historien - von den Tafeln Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bis hin zum Panoramagemälde Frühbürgerliche Revolution in Deutschland - Geschichte eher als zyklischen Prozess des sich abwechselnden Aufblühens und Absterbens verstand.

Diese Kernerfahrungen, die in den Bildern zutage traten, erzeugten an der HGB seit den 1950er Jahren - als die „Gründungsväter“ in erste Anstellungsverhältnisse gelangten (Mattheuer 1953, Heisig 1954 und Tübke zwischen 1955 und 1957) - eine eigene Lebenswelt, durchdrungen von Hierarchiebewusstsein, Konkurrenzkämpfen und bisweilen von einem frivolen Machismo.

Dieser äußerte sich nicht nur in Saufgelagen, sondern unverhohlen selbst in ästhetischen Debatten; was etwa eine bildungsbürgerlich eingestellte Dozentin wie Elisabeth Voigt trotz künstlerischer Anziehungskräfte auf Distanz hielt. Hinzu trat Ende der 1950er Jahre das Engagement einiger SED-Funktionäre, die sich wie sozialistische Mäzene um ihre Leipziger kümmern sollten. Vor allem der Einsatz des im Zuge des Bitterfelder Weges wichtigsten Kulturpolitikers, Alfred Kurella, erwies sich dabei als profilbildend und schützend zugleich.»
Im Mai 2019 wurde vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandel der Katalog als einen der 15 schönsten Bücher Österreich ausgezeichnet. Auch die Stiftung Buchkunst prämierte «ARNO RINK ICH MALE!» zu den schönsten Büchern 2019.

Nachtrag: In meinem Arbeitszimmer hängt eine Radierung von Arno Rink mit dem Titel „Bauernkrieg 76“ in Erinnerung an unsere 2. Begegnung 1978 in der Pistorisstraße in Leipzig.
khw