18.07.2019
Heike B. Görtemaker: Hitlers Hofstaat – Der innere Kreis im Dritten Reich und danach

Die Autorin H. B. Görtemaker, 1964 in Bensheim an der Bergstraße geboren, ist eine Historikerin, studierte an der FU in Berlin und Indiana University, Bloomington USA, Geschichte, Volkswirtschaft und Germanistik. Über «Journalismus und Politik im Transformationsprozess von der NS-Diktatur zur Bundesrepublik» promovierte sie an der FU in Berlin. Aufmerksamkeit bekam Heike B. Görtemaker mit ihrer Biografie über Eva Braun, die im Jahr 2010 erschien und in den nächsten Jahren in elf Sprachen übersetzt wurde.

In der Einleitung schreibt die Autorin: «Im Frühjahr 2010, kurz nach Erscheinen meiner Biographie über Eva Braun, meldete sich im Münchner Verlag C.H.Beck ein Herr, dessen Name sofort mein Interesse weckte: Claus Dirk von Below, der Sohn des Luftwaffenadjutanten und langjährigen Hitler-Vertrauten Nicolaus von Below, wünschte mich zu sprechen. Nach einem ersten Telefonat vereinbarten wir ein Treffen. Wenige Wochen später saßen wir uns in einem Café in der Münchner Innenstadt gegenüber. Wir sprachen zunächst über das Verhältnis seiner Eltern zu Hitler und Eva Braun und über das Leben der von Belows im privaten Kreis des Diktators auf dem Berghof. Dabei erklärte mein Gegenüber fast beiläufig: «Ich bin in diesem Kreis aufgewachsen.» Keinesfalls, so Claus Dirk von Below, habe sich der «inner circle» um Hitler und Eva Braun nach 1945 aufgelöst. Bis weit in die bundesrepublikanische Zeit hinein seien die Bindungen intakt geblieben. Man habe korrespondiert, sich gegenseitig besucht und zu besonderen Anlässen größere Treffen organisiert. «So reisten wir alle zum Empfang Albert Speers nach Heidelberg», erinnerte sich von Below an die Zeit, als Speer am 30. September 1966 aus dem alliierten Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau entlassen wurde. «Meine Eltern», ließ er mich wissen, «starben als aufrechte Nationalsozialisten.»

Schlagartig wurde mir damit klar, dass der von Speer sogenannte «Führerkreis» nach Kriegsende offenbar auch ohne den «Führer» weiter existiert und noch Jahrzehnte nach Hitlers Tod für dessen Nachleben gesorgt hatte. Zwar war die nationalsozialistische Diktatur untergegangen, als Hitler seinem Leben am 30. April 1945 im Bunker der Berliner Reichskanzlei ein Ende setzte. Aber die meisten seiner engsten Mitarbeiter und Vertrauten hatten überlebt. Doch was geschah mit ihnen? Und wer waren eigentlich die Männer und Frauen, die oft über viele Jahre hinweg das engste Umfeld des Diktators gebildet hatten? Auf welche Weise waren sie in das Zentrum der Macht gelangt? Wie operierte dieser «Hofstaat», zu dessen Mitgliedern bis auf wenige Ausnahmen nicht die Mächtigen und Großen des Reiches zählten, sondern jene, die abfällig Hitlers «Chauffeureska» genannt wurden, eine «Umgebung aus biederem Mittelstand und halb kriminellen Rowdytum», und der öffentlichen Wahrnehmung entzogen blieben?»

In ihrem «Hitlers Hofstaat» blättert die Autorin die Geschichte der Nazi-Claqueure von Anfang, über die Machtübernahme, Zweiter Weltkrieg mit den von Joseph Goebbels proklamierten «Totalen Krieg», der Konfrontation mit den Siegern – Sowjetunion, England, Frankreich und Vereinigten Staaten – bis zur Bundesrepublik von heute. Lesenswerte deutsche Geschichte auch vor dem Hintergrund der Partei «Alternative für Deutschland».
khw


Heike B. Görtemaker: HITLERS HOFSTAAT
Der innere Kreis im Dritten Reich und danach

Verlag C.H. Beck, München 2019
528 Seiten – zahlreiche Fotos – 28,00 EUR