13.03.2019
Svante Domizlaff / Michael Zapf: Elbchaussee – Menschen und Häuser an Hamburgs großer Straße

Im Vorwort schreiben die Autoren: «Berühmt wurde die Elbchaussee als Straße der großen Kaufleute und Reeder, die hier im 18. Jahrhundert begannen, ihre Villen in bevorzugter Südlage auf einem Höhenrücken über dem Elbstrom zu bauen, inmitten kunstvoll angelegter Parks. An der Elbchaussee wurde Hamburgs Rang in der Welt definiert, gelebt und zur Schau gestellt. Diese großbürgerliche Lebensweise bildet den Kern des Mythos Elbchaussee.»

Ein opulenter Bild-Text-Band von 406 Seiten der Autoren Svante Domizlaff und Michael Zapf, über zwei Kilogramm schwer präsentieren sie den Leser. Der Band löst das 1937 veröffentlichte Standardwerk des Altonaer Chronisten Paul Theodor Hoffmann «Die Elbchaussee. Ihre Landsitze, Menschen und Schicksale.» ab.

Einige wenig bekannte Daten zur Elbchaussee: Am 1. April 1937 trat das Groß-Hamburg-Gesetzt in Kraft, Altona, damit auch die Elbchaussee, gehören seitdem zur Freien und Hansestadt Hamburg. Erst am 10. April 1951wird die Flottbeker Chaussee in Elbchaussee umbenannt, seitdem heißt die Straße auf ihrer ganzen Länge von Altona bis Blankenese so.

Es sind nicht nur Anekdoten der Elbchaussee, die das Buch in Text und Bild vermitteltn. Nicht so glatt wie Svante Domizlaff schreibt, war die Geschichte der Chaussee nicht. Über den Weg ins III. Reich und ihre Aufarbeitung der NS-Zeit liefert der Band nur unzulänglich Informationen. Bei meinen Recherchen zur Geschichte der Zigarettenfirma Reemtsma fand ich folgende Geschichte: »Der ärgste Skandal war jedoch die bewusste Förderung der Interessen der Konzerne Reemtsma und Neuerburg durch beeinflußte hohe Beamte des Reichsfinanzministeriums. Bestimmte Kreise hatten sich schon immer um die Herbeiführung der Zwangswirtschaft im Zigarettengewerbe bemüht. Im Frühjahr 1927 wurde fieberhaft und äußerst geheim von den das Privatmonopol anstrebenden einflussreichen Vertretern der Konzernindustrie hinter den Kulissen gearbeitet, mit dem Erfolg, dass das Ministerium am 18. Mai 1927 eine Verfügung erließ, die unter dem Vorwand, das Steueraufkommen zu sichern, mit einem völlig ungerechtfertigten und verfassungswidrigen administrativen Eingriff die Wirtschaftsfreiheit des Zigarettengewerbes weniger Großfirmen aufhob. Dieser geglückte Coup brachte durch die behördlich angeordnete Herabsetzung des Händlerverdiensts allein dem Konzern Reemtsma eine Sonderbereicherung, die hoch in die Millionen ging.« Bereits 1929 kontrollierte die Reemtsma-Gruppe 40 bis 50 Prozent der gesamten deutschen Zigarettenproduktion. Nach 1933 stieg der Anteil durch weitere Eingliederungen von Herstellern in die Reemtsma-Firma auf 80 Prozent der Gesamtproduktion an. 1935 änderte das Unternehmen seine Rechtsform von einer Aktiengesellschaft in eine Kommanditgesellschaft. Haupteigentümer der Reemtsma-Firma war Philipp Fürchtegott Reemtsma, Bruder des Kunstfreundes Hermann, der beste Verbindungen zur nationalsozialistischen Macht hatte. Im August, es kann auch der September 1933 gewesen sein, das genaue Datum lässt sich nicht feststellen, traf Ph. F. Reemtsma das erste Mal mit Hermann Göring zusammen. Kurze Zeit nach dieser Begegnung war der Name Reemtsma aus der »Korruptionsliste« der Reichsregierung gestrichen.

Gleichzeitig leistete der Magnat einen ersten Betrag von vier Millionen RM zur Finanzierung von eigenen Projekten des Herrn Feldmarschall Hermann Göring. Dieser großen Summe folgen Beträge von einer Million RM jährlich. 1934 war Ph. F. Reemtsma im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, später in gleicher Funktion bei der Vereinigten Glanzstoff tätig. 1938 erhält er den Titel »Wehrwirtschaftsführer« verliehen. - Wie der Sammler »entarteter Kunst« mit der engen Zusammenarbeit von Nationalsozialisten und seinem Tabakkonzern leben konnte, bleibt offen.

Hermann F. Reemtsma hat alle Ernst-Barlach-Werke - auch den »Fries der Lauschenden« -, die er nach und nach vom Künstler in Güstrow direkt erworben hat oder in späteren Jahren ersteigert hat, seiner Stiftung vermacht. Damit besitzt das Museum in Klein Flottbek eine der bedeutendsten Sammlungen von Skulpturen, Zeichnungen und druckgrafischen Blättern Ernst Barlachs.

Der Band die «Elbchaussee» vermittelt umfangreiches im Text und Foto über «Die schönste Straße der Welt», das sie bestimmt einmal mit ihren Villen war. Heute, von Montag bis Freitag, das stets zur Rushhour am Morgen und Abend, windet sich mit «Stopp and Go» eine Autokarawane in die City und zurück. Das war einmal anders.
khw


Svante Domizlaff / Michael Zapf: Elbchaussee
Menschen und Häuser an Hamburgs großer Straße

Wachholtz Verlag – Murmann Publisher, Kiel/Hamburg 2018
406 Seiten – sehr gut illustriert - 50,00 EUR391 Seiten - gebunden - 25,00 EUR