10.08.2018
Raul Zelik: SPANIEN – Eine politische Geschichte der Gegenwart

Bis heute hat Spanien seine Geschichte, vom Bürgerkrieg, der Franco-Diktatur, über die »transición«, dem Übergang zur Demokratie, nicht aufgearbeitet. Selbst mit der Gründung der linkspopulistischen Partei Podemos im Frühjahr 2014 aus der Bewegung 15-M ist es bisher auch nicht zu einem demokratischen Aufbruch im Land gekommen.

Obwohl hunderttausende Deutsche im Land zwischen Atlantik und Mittelmeer, auch ihren Urlaub auf den sieben Kanarischen Inseln oder auf drei Baleraren-Insel im Mittelmeer ihren Urlaub machen, oder sogar Eigentum hier haben, wissen in der Regel häufig sehr wenig von der spanischen Geschichte. Auch nicht, dass der sozialistische Ministerpräsident Felipe Gonzáles, Mitglied der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) lies nach 1980 nach lateinamerikanischen Vorbild rechtsextreme Todesschwadronen aufbauen, die 30 Menschen in Frankreich ermordeten. In einem Interview der «El País» hat er das zugegeben. Gonzáles: «Ich hatte die einzige Möglichkeit in meinem Leben, den Befehl zu geben, die gesamte Führung der ETA zu liquidieren.» Das änderte sich erst ab 1986, als Jacques Chirac - bis 1988 Premierminster - der in einer Kohabitation mit dem Sozialisten François Mitterand regieren musste. Es wurden erstmals Gesetze des Vichy-Regimes seit der Befreiung Frankreichs genutzt, um Gefangen wieder direkt an Spanien auszuliefern. Für die Todesschwadrone wurde Gonzáles in Spanien nie angeklagt.

Eine weitere für Spanien bemerkenswerte Geschichte ist die der Cayetana Fitz-James Stewart, Herzogin von Alba die im Alter von 88 Jahren am 20. November 2014 im Palast von Dueñas in Sevilla starb. Die Frau führte sieben weitere Herzogtitel, war fünfzehnfache Marktgräfin und einundzwanzigmal eine einfache Gräfin. Alle in Madrid tätigen Korrespondenten schrieben ihr wohlwollende Nachrufe. Dabei wurde nicht erwähnt der mondäne Lebensstil der Herzogin von Alba und wie sie diesen finanzierte. Auch unerwähnt in den Nachrufen blieb selbst die Lebenswirklichkeit ihrer andalusischer Tagelöhner auf ihren Latifundien. Gefeiert wurde die Elba als große Kunstliebhaberin. Bereits 2012 wurde aus ihrem Besitz Gemälde von Tizian, Goya, und Renoir, dazu eine Erstausgabe des «Don Quijote» im Palacio de Cibeles in Madrid gezeigt. Den Nachruf auf die Elba schrieb für «El País» Alfonso Guerra. Der PSOE-Mann war einmal Vizepräsident der Regierung Felipe Gonzáles, musste auf Grund eines Korruptionsskandals zurücktreten.

Ob die Demokratisierung Spaniens nach Ende der Franco-Diktatur eine „europäische Erfolgsgeschichte“ ist, möchte ich bei den zahlreichen Baustellen im Land bezweifeln. Raul Zeliks Spanien-Buch führt in die derzeitige Problematik ein.

Wird es zu einer katalanischen Republik kommen, nachdem die Bundesrepublik Deutschland den politischen Gefangenen Carles Puigdemont nicht wegen «Rebellion», sondern nur wegen des «Vorwurf der Veruntreuung öffentlicher Gelder» an Spanien ausliefert. Nach dieser Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig verzichtete der Richter am Obersten Gericht in Madrid Pablo Llanares auf eine Auslieferung und hob den Europäischen Haftbefehl ebenso für fünf weitere katalanische Politiker auf. Von Waterloo in Belgien will Puidemont den Kampf um ein von Spanien unabhängiges Katalonien fortsetzen.

Als am 19. Juni 2014 Felipe VI. als Nachfolger auf den Thron seines Vater Juan Carlos folgte, fuhr er in einem offenen Rolls Roys durch Madrid zum Cortes. Diesen Wagen hatte der Diktator Franco 1948 in England bestellt, geliefert wurde er 1953. Die erste Fahrt mit dem Rolls Roys unternahm Franco aus Anlass der Parade des Sieges über die Spanische Republik am 19. Mai 1953.

Raul Zelik «Spanien – Eine politische Geschichte der Gegenwart» lesenswert und aktuell bis zum Sturz der Regierung Rajoy der Partido Popular und der Wahl von Pedro Sánches des PSOE zum neuen spanischen Ministerpräsidenten.
khw


Raul Zelik: Spanien – Eine politische Geschichte der Gegenwart
Verlag Bertz + Fischer GbR, 2018 Berlin
240 Seiten - Paperback - 14,00 EUR