19.07.2018
FRANZ MAREK: BERUF UND BERUFUNG KOMMUNIST – Lebenserinnerungen und Schlüsseltexte

Martin Pollack schreibt in seinem Vorwort unter der Überschrift «Ein undogmatischer Freund und Lehrmeister»: «Die erste Begegnung fand meiner Erinnerung nach in den Räumen der Redaktion des Wiener Tagebuchs in der Belvederegasse im vierten Wiener Gemeindebezirk statt. Neben Franz waren dort Leopold (Poldi) Spira, Hubert Friesenbichler, mein Vorgänger als (einziger) angestellter Redakteur, Josef (Pepi) Meisel als geschäftsführender Obmann des Vereins der Freunde des Wiener Tagebuchs, der offiziell mein Arbeitgeber war, und Antonie (Tom) Lehr anwesend. Toni leitete die administrative Arbeit. Die zarte, lebhafte, sehr intelligente und immer fröhliche Frau war für die finanziellen Belange der Zeitschrift und die monatliche Aussendung der Nummer zuständig. Man kann Toni Lehr ohne Übertreibung die Seele, den guten Geist des Wiener Tagebuchs nennen. Ohne sie war die Zeitschrift nicht lebensfähig, wie sich später herausstellen sollte.» Weiter schreibt er abschließend:«Kein KP-Hintergrund und obendrein ein Nazi-Kind. Gleichzeitig wurde die von ihm geleitete Zeitschrift für mich eine wichtige Schule, in der das Wiener Tagebuch längst nicht mehr existierte. Heute ist mir bewusst, was für ein Glücksfall es war, dass mich Franz 1976 in die Redaktion holte. Auf diese Weise kam ich mit einem Milieu und Menschen in Berührung, die in jeder Hinsicht Ausnahmeerscheinungen waren. Mit Franz entwickelte sich die Zusammenarbeit zu einer Freundschaft, für die ich heute noch dankbar bin».

Franz Marek wurde kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Ephraim Feuerlicht im damals österreichischen Ostgalizien geboren. Vor den Kampfhandlungen floh seine polnisch-jüdische Familie nach Wien, wo er in einem ärmlichen proletarischen Flüchtlingsmilieu aufwuchs. Seinen Kampfnamen Franz Marek nahm er erst im Jahre 1935 an, als die KPÖ im österreichischen Ständestaat verboten war, nur im Untergrund arbeiten konnte. In die illegale KPÖ war er nach den Februarkämpfen 1934 gemeinsam mit seinem ehemaligen Schulkameraden Jura Soyfer eingetreten. Recht schnell wurden beide zu wichtigen Funktionären in der Partei. Ab 1936 leitete Marek die Agitation der KPÖ. Im März 1938, Hitlers Truppen waren jubelnd beim Anschluss Österreichs einmarschiert, floh Marek ins Ausland. Mit Johann Koplenig kam er nach nach Frankreich, wo die Leitung der KPÖ ihr Exilbüro aufbauen konnte. Während nach der Besetzung Frankreichs durch die Hitler-Armee viele Antifaschisten nach Übersee flohen, oder in den vom Vichy-Regierung kontrollierten Süden gingen, blieb Franz Marek in Paris. Ab Januar 1942 nahm er am bewaffneten Kampf der französischen Resistance teil und leitete in Paris einen Frontabschnitt. Im Gegensatz zu den Genossen der KPF hatte Marek bereits aus Österreich Erfahrung in der geheimen und illegalen Parteiarbeit. Lange Zeit blieb er unerkannt. Am 11. August 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet, gefoltert und erwartete im Gestapo-Gefängnis von Fresnes seine Hinrichtung. Die alliierten Truppen rückten nach der Landung in der Normandie auf Paris vor. Die Hitler-Truppen zogen ab, dadurch überlebte Marek seine Hinrichtung.

Nach 1945 gehörte Franz Marek lange Jahre als Mitglied des Politbüros der Führung der KPÖ an, galt als ein ideologischer Hardliner und Stalinist. Das änderte sich mit dem Prager Frühling 1968. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968, auch nachdem die Hoffnungen der Reformer sich auch keine gegenüber der Sowjetunion kritische Linie in der KPÖ durchzusetze, gescheitert versuchte Franz Marek ab 1969 als Chefredakteur des Wiener Tagebuchs eine von Moskau unabhängige linke Linie zu verfolgen.

Die Herausgeber Maximilian Graf und Sarah Knoll schreiben:«Franz Mareks Lebenserinnerungen stellen ein einzigartiges Zeugnis eines widerständigen politischen und intellektuellen Lebens des 20. Jahrhunderts dar. Sie dem vergessen zu entreißen und damit auch Marek und seine Gedankenwelt einem breiten Publikum näher zu bringen, das ist im Wesentlichen das Motiv für das Projekt.»
khw


FRANZ MAREK: BERUF UND BERUFUNG KOMMUNIST
Lebenserinnerungen und Schlüsselszenen
herausgegeben und eingeleitet von Maximilian Graf und Sarah Knoll

mandelbaum kritik & utopie, Wien 2017
347 Seiten – 25,00 EUR