20.07.2018
Nelson Mandela – Briefe aus dem Gefängnis

Briefeschreiber Nelson Mandela war wohl eine der politischsten Personen des 20. Jahrhunderts. Geboren am 18. Juli 1918 als Nelson Rolihlahla Mandela, auch mit dem traditionellen Clannamen Madiba bezeichnet. In den Jahren des ständigen Widerstands gegen die Apartheid in der Südafrikanischen Republik wurde Mandela ein hervorragender Vertreter im Freiheitskampf gegen Unterdrückung und der sozialen Ungerechtigkeit.

Der Calvinismus hat die Apartheid geprägt. Es ist die neo-calvinistische Nederduitse Gereformeerde Kerk ( NGK) auf dem Gebiet des heutigen Südafrika, die ab 1857 beschloss, das Nichtweiße, also Afrikaner, ihre «christlichen Privilegien in einem separaten Gebäude genießen» sollten. Zur Legitimation mussten Stellen des Alten Testaments, so das 5. Buch Moses, Kapitel 7 und 23 herhalten. Hier steht geschrieben: «In die Versammlung des Herrn darf kein Bastard aufgenommen werden.» Und weiter heißt es:«Auch in der zehnten Generation dürfen seine Nachkommen nicht in die Versammlung des Herrn aufgenommen werden.» Mit solchen kruden Sprachweisen wurden alle Afrikaner von den Buren in Südafrika ausgegrenzt.

Auch die britische Herrschaft über ihre Ethnienpolitik der vier südafrikanischen Provinzen Natal, Kapkolonie, Oranje-Freistaat und Transvaal haben mit ihrer Einrichtung der «Native Administration» dazu beigetragen. Daraus wurde 1958 die «Bantu Administration» das organisatorische Zentrum im Apartheidregime. Die Südafrikanische Union wurde 1910 durch den Zusammenschluss der vier Provinzen gegründet. Von Beginn an war die Union unter der Kontrolle der Weißen. Schwarze wie auch Farbige und Asiaten hatten kein Wahlrecht. Der «Mines and Works Act» legte bereits die Ungleichbehandlung 1911 für die Wirtschaft fest. 1924 gewählte Regierung zwischen National Party und South African Labour Party unter dem Ministerpräsidenten James Barry Munnick Hertzog verschärfte durch die «Civillized Labour Policy», nach der nur noch öffentliche Arbeitgeber nur weiße Arbeiter einstellen konnten. Bei der staatlichen Eisenbahn verloren tausende schwarzer Arbeiter ihre Arbeit.

Der Sieg der burischen Nationalisten ist eng verknüpft mit dem Zweiten Weltkrieg. Die Rassentrennung begann nun schrittweise. Bereits vor 1948 waren die Schwarzen von einer politischen Teilhabe ausgeschlossen. Löcher in der Rassentrennung schlossen die Nationalisten mit diversen Maßnahmen. Mit dem «Group Areas Act» vom 13. Juni 1950 wurde die Trennung in den Wohngebieten festgeschrieben. Mit dem «Bantu Education Act» erfolgte am 1. April 1955 die Kontrolle über die Bildung der Schwarzen, dass das «Native Affairs Department» überprüfte. Nun durften die Afrikaner nur noch für körperliche Arbeit ausgebildet werden, verboten ab sofort sind Mathematik und Englisch. Erst ein einwöchiger Schulboykott am 1. April 1955 durch den African National Congress (ANC) rudert die Regierung zurück, damit gibt es wieder eine gleiche Erziehung und Bildung für alle in Südafrika.

Im Vorwort schreibt Zamaswazi Dlamini-Mandela: «Als ich zur Welt kam, war mein Großvater schon seit siebzehn Jahren im Gefängnis. In einem Brief, den er kurz nach seinem 62. Geburtstag an meine Großmutter Winnie Madikizela-Mandela schrieb, führt er alle Personen auf, von denen er Telegramme und Postkarten erhielt, darunter auch meine Tante Zindzi, meine Schwester Zaziwe und mich, sowie die Leute, von denen er hofft, Nachrichten bekommen. «Von denen, die mir die vielen Freunde von überall auf der Welt geschickt haben, kam noch keine einzige bei mir an», scherzt er. «Dennoch ist es tröstlich zu wissen, dass so viele Freunde nach all den Jahren immer noch an einen denken.» Dies ist eines der vielen Beispiele in diesem Buch, die verdeutlichen, wie sehr ihm die Verbindung zur Außenwelt die ganzen siebenundzwanzig Jahre seiner Gefangenschaft hindurch Mut machte und wie sehr er sich nach diesen Briefen sehnte.

In dieser Zeit schrieb mein Großvater Hunderte von Briefen. Die Auswahl, die in diesem Buch versammelt ist, macht den Leser nicht nur mit Nelson Mandela als politisch Handelndem und Gefangenen, sondern auch als Anwalt, Vater, Ehemann, Onkel und Freund vertraut. Sie veranschaulicht, wie sehr seine schier endlose Gefangenschaft in der Abgeschiedenheit vom Alltagsleben ihn daran hinderte, diese unterschiedlichen Rollen zu erfüllen. Sie bringt uns zurück in eine dunkle Zeit der Geschichte Südafrikas, in der gefangene Gegner des Apartheidregimes, das ein ganzes Volk unterdrückte, entsetzliche Strafen erduldeten. In seinen Briefen belegt er die permanente Verfolgung meiner Großmutter und gewährt Einblick in die Situation, in der sich seine Kinder Thembi, Makgatho, Makaziwe, Zenani und Zindzi befunden haben mussten: Ihr Vater war abwesend, sie konnten kaum mit ihm kommunizieren, und – das fand ich besonders unerträglich –sie durften ihn erst besuchen, als sie sechzehn Jahre alt waren. So sehr er sich auch vom Gefängnis aus um ihre Erziehung bemühte, es war ihm unmöglich.»

Die Nelson Mandela Briefe befinden sich noch nicht einmal zentral in einem Archiv. Die Auswahl und Zusammenstellung für dem jetzt vorgelegten Band dauerte beinahe 10 Jahre. Auch stammen die Briefe aus verschiedenen Sammlungen. Aus den im National Archives and Records Service of South Africa aufbewahrten Unterlagen Mandelas aus der Gefängniszeit, der Himan Bernadt Sammlung, den Sammlungen von Meyer de Waal, von Morabo Morojele, von Fatima Meer, Michael Dingake, Amina Cachalia, Peter Wellman und Ray Carter. Briefe befinden sich auch in Donald-Card-Sammlung, benannt nach dem früheren Sicherheitspolizisten, der 2004 die Kladden zurückgab, in denen Mandela die Abschriften seiner Briefe verwahrte. Sowohl die Himan-Bernadt-Sammlung als auch die Donald-Card- Sammlung liegen bei der Nelson Mandela Foundation. Diese Kladden wurden 1971 aus seiner Zelle entwendet, worüber er sich am 4. April 1971 in einem Brief an die Gefängnisleitung beschwerte.

Die allermeisten Briefe werden im National Archives and Records Service of South Africa aufbewahrt. Neben anderen schriftlichen Unterlagen füllen sie gebündelt etwa 59 Pappkartons. Hier liegen die vom Prisons Department registrierten ein- und ausgehenden Briefe. Manche sind dort im Original verblieben, was beweist, dass sie niemals abgeschickt wurden.

Nelson Mandela war 27 Jahre lang in Haft, abgeschnitten von der Außenwelt. Nur in den letzten Jahren seiner politischen Gefangenschaft hat er freien Zugang zu Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen. Seine Briefe zeigen, dass er weder verhärmt noch weltfremd ist. Er hatte auch in Haft seinen Humor und seine Selbstironie behalten. Seine Briefe zeigen auch, warum er die politische Haft ertragen konnte. Seine «MADIA-Briefe» sind auch Erinnerung an den großen Freiheitkämpfer Nelson Mandela, die am 18. Juli 2018 – im einhundertsten Jahre seiner Geburt nun auch hierzulande vorliegen.
khw


Nelson Mandela – Briefe aus dem Gefängnis
Herausgeben von Sahm Venter
Mit einem Vorwort von Zamaswazi Dlamini-Mandela
Aus dem Englischen übersetzt
von Anna Leube und Wolf Heinrich Leube

Verlag C. H. Beck, München 2018
41 sw Abbildungen u. 1 Karte u. 8 Farbtafeln
752 Seiten - 28,00 EUR