20.07.2018
ZONI WEISZ: Der vergessene Holocaust – Mein Leben als Sinto, Unternehmer und Überlebender

Wenig bekannt ist, dass die Nazis auch eine halbe Million der Sinti und Roma umgebracht haben. Zoni ist der einzige der von seiner Familie überlebt. Uwe Neumärker von der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas schreibt im Vorwort des Buches: «Zoni ist mit seinem Schicksal unter den jugendlichen Überlebenden keine Ausnahme - eine Ausnahme aber stellt die Art und Weise dar, wie es ihm gelungen ist, sich entgegen allen inneren und äußeren Widerständen ins Leben zu kämpfen und eine Normalität zu erlangen und sich dabei - alles andere als selbstverständlich - von Beginn an zu seiner Herkunft als Sinto zu bekennen. Denn auch nach Kriegsende begegnet die Gesellschaft den Angehörigen der Minderheit mit Ignoranz, ja mit Ablehnung und Ausgrenzung. Niemand außer den eigenen - ebenso traumatisierten - Leuten ist willens zu helfen.

Es dauert, wie bei fast allen Überlebenden des nationalsozialistischen Terrors, Jahrzehnte, bis Zoni beginnt, über seine Erlebnisse öffentlich zu sprechen. Er findet die Kraft, für die Anerkennung des Völkermords und für die Gleichberechtigung der Sinti und Roma zu kämpfen. Das Erinnern und der Kampf gegen Schweigen und Vergessen sind ihm Pflicht — Zoni ist die Stimme der Opfer und der Überlebenden, wie diese seine Autobiografie eindrucksvoll belegt. Unermüdlich klärt er über den Völkermord an den Sinti und Roma - den, wie er es nennt: »vergessenen Holocaust« - auf.»

Weiter schreibt Neumärker: Zoni ist aufgrund seiner Persönlichkeit und seines Wirkens Vorbild und Identifikationsfigur für Angehörige der Minderheit jeden Alters - in den Niederlanden, in Deutschland, ja, weltweit. Er ist es auch für uns »Gadje«.

Seit Jahren setzt Zoni sich für eine behutsame kulturelle Öffnung der Sinti und Roma ein, klärt über ihre Gepflogenheiten auf. Zugleich appelliert er an »seine Menschen«, die eigene Kultur in jedem Fall zu wahren und sich gegenüber der Mehrheit weiter zu öffnen und zu erklären. Denn: »Unbekannt macht unbeliebt«, so seine Worte. Die Sinti und Roma gehören zu den Kulturen ihrer jeweiligen Heimatländer und zur europäischen Kultur - und sind eine Bereicherung, keine Last. Angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen und ihrer Millionen Opfer, darunter mehrere Hunderttausend Roma und Sinti, trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für die Wahrung der Menschenrechte. Zugleich versteht sich die aufgrund der Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges gegründete Europäische Union als Gemeinschaft der Werte. Der höchste dieser Werte ist der Schutz der »unverletzlichen und unveräußerlichen Rechte des Menschen« (Präambel des Vertrags über die Europäische Union). Roma und Sinti haben dieselben Rechte und Pflichten wie jeder Europäer, aber noch immer nicht dieselben Chancen. Antiziganismus ist Alltag - auch in Deutschland und den Niederlanden.»

Zoni Weisz schildert mit einfachen Worten die Geschichte der Familie und wie er im Nationalsozialismus in den Niederlanden überlebte.

Im Jahr 2012 wurde gleich neben dem Reichstagsgebäude – in dem das Parlament der Bundesrepublik Deutschland tagt - das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas eingeweiht. Es war die Hoffnung, dass dieses sichtbare Zeichen für eine deutsche Verantwortung nicht nur Symbol bleibt, sondern das Land politisch zum Handeln bewegt. Von der Einweihung bis heute ist die Bilanz mehr als ernüchternd. Und dennoch muss weitergekämpft werden, damit sich ein Faschismus nicht wiederholt. Auch Zoni Weisz kämpft mit seinem Buch für Veränderung. Gerade die Heranwachsenden benötigen diese empfehlenswerter Literatur.
khw


ZONI WEISZ: Der vergessene Holocaust
Mein Leben als Sinto, Unternehmer und Überlebender

dtv Verlagsgesellschaft, München 2018
317 Seiten – zahlreiche sw-Fotos – 26,00 EUR