27.04.2018
Tom Segev: David Ben Gurion – Ein Staat um jeden Preis

Rechtzeitig zum 70. Gründungsdatum des Staates Israel liegt die Biografie über David Ben Gurion von Tom Segev vor. Der Autor, Sohn von Heinz und Ricarda Schwerin, beide überzeugte Kommunisten, flohen 1935 nach Palästina. Der Sohn Tom wurde am 1. März 1945 in Jerusalem geboren, arbeitet als Historiker und Journalist heute für die israelische Tageszeitung «Haaretz». Zugerechnet wird er der Gruppe «Neue Historiker» die eine Neuwertung der Geschichte des Zionismus und von Israel vornehmen. Von seinen Büchern sind diese Titel «Die Soldaten des Bösen» (Zur Geschichte der KZ-Kommandanten) und «1967 – Israels zweite Geburt» (Geschichte des Sechstagekrieges) bekannt.

Mit der Entscheidung der Briten, die zionistische Bewegung bei der Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina auf ihrem Mandatsgebiet zu unterstützen, kam die Gründung des neuen Staates Israel sehr schnell. Da um Mitternacht vom 14. auf dem 15. Mai 1948 das britische Mandat ablief, rief David Ben Gurion am 14. Mai 1948 im Stadtmuseum von Tel Aviv um 16 Uhr, noch vor Sonnenuntergang, damit vor dem Beginn des Sabbats, den jüdischen Staat Israel aus. In sein Tagebuch schreibt er:«Um 4 Uhr nachmittags wurde die jüdische Unabhängigkeit ausgerufen und der Staat gegründet. Sein Schicksal ruht in den Händen der Sicherheitskräfte.» Noch in der Gründungsnacht erklärten Ägypten, Saudi-Arabien, Transjordanien, der Libanon, der Irak und Syrien dem neuen und jungen Staat den Krieg. Es war der erste Arabische-Israelische Krieg, der von Mai 1948 bis Januar 1949 dauerte, der den neuen Staat gegenüber dem Teilungsplan erhebliche Gebietsgewinne brachte.

David Ben Gurion, 1886 in Plonsk in dem Teil von Polen als David Grün geboren, der unter der Herrschaft des Zaren aus Russland steht. Der Vater ist der Rechtsberater Victor Grün, war einer der ersten Zionisten im Ort. Als Jugendlicher wandert David Grün 1906 ins damalige noch von den Türken beherrschte osmanische Palästina aus. Hier legt er seinen alten Nachnamen Grün ab und nennt sich fortan David Ben Gurion. Auch widmet er von nun sein Leben dem Zionismus. «Später behauptete Ben Gurion gern», so Tom Selev in seiner Biografie, »seine zionistische Weltanschauung habe sich bereits gefestigt, als er drei, spätestens als er fünf Jahre war, und einmal sagte er sogar: „Ich bin ein geborener Zionist.“«

Die zionistischen Pioniere um David Ben Gurion traten gegenüber Juden, die in ihrer Heimat Europa geblieben waren, häufig mit einem Anspruch von Gefühlskälte auf. Davon ist nichts in der Biografie über den Staatsgründer Israels zu finden.

Mehr als schmerzhaft ist das Kapitel über den Holocaust in der Biografie. Vom Holocaust erfährt Ben Gurion an einem Wintertag im Februar 1943. Ein sechzehnjähriges Mädchen, im Austausch kurz zuvor aus Polen nach
Palästina gekommen, berichtet ihm von den Grauen und Elend der Juden in Polen. Sie gehörte zu einer der ersten Holocaust Überlebenden, die in dem englischen Mandatsgebiet mit Hilfe der Jewish Agency eintrafen. Auf Jiddisch berichtete die junge Frau von den Misshandlungen, Gräueltaten, Massenmorden und Deportationen nach Treblinka und Auschwitz. Tom Segev schreibt: «Beim Abschied sah sie Tränen in seinen Augen; Ben Gurion weinte.»
Tom Segevs «David Ben Gurion» Biografie und dem Zusatz «Ein Staat um jeden Preis» zeigt einen der großen politischen Gestalten des 20. Jahrhunderts. Heute ist in Israel eine starke David Ben Gurion Nostalgie vorhanden, Ursache ist wohl Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Ben Gurion stirbt am 16. Oktober 1973 im Alter von 87 Jahren in Ramat Gan, Israel.

Lesenswertes Buch, das dem Leben des Staatsgründers Ben Gurion gerecht wird.
khw


Tom Segev: David Ben Gurion – Ein Staat um jeden Peis

Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama
Siedler Verlag in der Verlagsgruppe Random House, München 2018
800 Seiten - 27 s/w Abbildungen - 35 EUR