19.03.2018
Crane Brinton: ANATOMIE DER REVOLUTION

Der US-amerikanische Historiker Clarence Crane Brinton – geboren am 2. Februar1898 in Winstedt, Connecticut, gestorben am 7. September 1968 in Cambridge, Massachusetts – hat 1938 sein bedeutende Arbeit unter den Titel «The Anatomy of Revolution» (Anatomie der Revolution) geschrieben. Er beschreibt und typisiert den Verlauf von Revolutionen. Die American Academy of Arts and Scienes wählte ihn für seine Arbeit 1939 zum Mitglied.

In seinen Vorbemerkungen schreibt Manfred Lauermann: «Mitten im Kalten Krieg veröffentlicht der Harvard-Historiker und Frankreich-Spezialist Crane Brinton (1898—1968) eine vergleichende Studie von vier Revolutionen. Versteht sich der Wert der englischen und französischen Revolution für die Moderne von selbst, so überhaupt nicht die Einbeziehung der russischen. Sie aus dem Zyklus der Europäischen Revolutionen (Rosenstock- Huessy) zu exkludieren, war damals und ist heute wieder Glaubensdogma der Mainstream-Geschichtsschreibung. Die USA haben gerade den McCarthyanismus ausgeschwitzt, jene Hysterie, die jede positive Referenz zur UdSSR unter Diskursverbot stellte. Seinen Studenten, Kollegen wie der deutsche Emigrant Hajo Holborn, der Öffentlicheit wie dem «New Yorker» ist sofort bewusst, dass Brinton dadurch eine dezidiert links-liberale Position einnimmt, wobei im herrschenden republikanischen Diskurs die Demokraten gemeinhin als Kommunisten gelten, bzw. als hochgradig dahingehend gefährdet. Trotzdem ist die amerikanische Revolution unbefragtes Vor- und Glanzbild des nationalen Selbstbildes, - umso explosiver ist dann die strukturelle Gleichsetzung durch Brinton. Eine Häresie, verstärkt durch seine ironischen Stilmittel, sie als milde, als halbfertige, ja gar als gescheiterte Revolution zu bezeichnen, vor allem mit seiner Lieblingsrevolution, der französischen verglichen. Seine narrative Grundstimmung ist die einer Diderot verwandten Heiterkeit, wenn er sich der russischen Geschichte nähert. Nicht zufällig endet sein Haupttext mit einem bolschewistischen Witz über das Privileg von Droschkenpferden im Sozialismus, sie seien ihm allein gewachsen, nicht Menschen; nicht selten zerfällt das moralische Pathos der Standardgeschichtsschreibung, gedreht ins Lächerliche, wenn er den Mangel an billigen Musicals beklagt, der Russland zu einer älteren Bühnenform, den Schau-und Hexenprozessen, zu greifen zwingt.»

Crane Brinton schreibt in seiner Einleitung: «Revolution ist ein etwas verschwommener Ausdruck. Die große französische Revolution, die amerikanische Revolution, die industrielle Revolution, eine Revolution in Honduras, eine soziale Revolution, eine Revolution in unserem Denken oder in der Damenkonfektion oder in der Autoindustrie – man könnte diese Liste ins Uferlose verlängern. Am dem einen Ende seines Bedeutungsspektrums ist das Wort Revolution heute im allgemeinen Sprachgebrauch kaum mehr als ein betontes Synonym für „Änderungen“, vielleicht mit einer Andeutung des plötzlichen oder auffallenden Wechsels.»

Die Revolutionstheorie ist keineswegs schematisch, ist auch eine Aufarbeitung, die dem Leser viel erklärt.
khw


Crane Brinton: ANATOMIE DER REVOLUTION
Hrsg. von Manfred Lauermann
Übersetzung W. Theimer u. P. Weiß

Karolinger Verlag, Wien 2017
328 Seiten, geb., 24,00 EUR