19.03.2018
Alexander Sedlmaier: Konsum und Gewalt – Radikaler Protest in der Bundesrepublik

Der Autor Alexander Sedlmaier, 1969 in Berlin geboren, lehrt Geschichte an der Universität Bangor in Wales. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören neben der Konsum- und Gewaltgeschichte die Theorie und Praxis sozialer Bewegungen.

Im Vorwort schreibt Alexander Sedllmaier: «Dieses Buch befasst sich mit der politischen Dimension der Themenfelder Konsum und Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere mit der Wechselwirkung zwischen beiden. Im Einzelnen geht es um die historische Verortung der Kritik an »Versorgungsregimen«, ein zentraler analytischer Begriff, der im Weiteren definiert wird. Das Hauptaugenmerk gilt politischen Artikulationen aus den Reihen der Neuen Linken und ihrer Vorgänger im Zeitraum von den späten fünfziger Jahren bis zur deutschen Vereinigung von 1990. Diese werden mit sozialen Praktiken des radikalen und militanten Protests in Beziehung gesetzt. Die Analyse stützt sich auf Quellen von Menschen, die in Theorie und Praxis, die sie umgebenden »Versorgungsregime« kritisiert und versucht haben, alternative Semantiken des Konsums zu entwickeln. Dabei handelt es sich gleichermaßen um Philosophen, die an einer kritischen Theorie der Wohlstandsgesellschaft arbeiteten, um Bewohner von Kommunen oder besetzten Häusern, um politische Aktivisten, die vom Fahrpreisprotest bis zu den Vorläufern der Globalisierungskritik in ein breites Spektrum von Protestbewegungen involviert waren, aber auch um prominente Militante, die in der Regel unter dem Begriff »Terroristen« behandelt werden. Es geht also nicht um durchschnittliche Konsumenten und auch nicht um Verbraucherorganisationen, die den Begriff des Konsumenten zur Bezeichnung einer Interessenvertretung nutzten, sondern um Diskurse, Ideen und Praktiken des Konsums, um ihre konfliktträchtige Umsetzung und darum, wie sie sich auf den politischen Protest der Neuen Linken auswirkten. Ferner analysiere ich die sich daraus ergebenden Konfrontationen mit der Staatsmacht, die nicht nur bestrebt war, Recht und Ordnung, sondern auch die Gegebenheiten und Ideale bestehender »Versorgungsregime« aufrechtzuerhalten, besonders im Kontext der Systemkonfrontation während des Kalten Kriegs.»

In Sedlmaiers Geschichte des Radikalismus ist sehr viel über die Motive der Gewalt geschrieben, aber der Leser lernt auch die Konsumgesellschaft der westdeutschen Nachkriegszeit kennen. Erinnern wir uns an die anarchistische Weihnachtsausgabe der Westberliner Zeitschrift «Agit 883» mit ihrem Titel «Lernt vom Nikolaus – Räumt das Warenhaus aus!» Und der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) pflichte dem mit «Die ökologische Entwicklung ist heute (1970) an einem Punkt angelangt, wo die Waren umsonst verteilt werden können.»

Mit seinem Buch zeichnet Alexander Sedlmaier, gestützt auf umfangreiche Archivstudien, die Entwicklung der Konsumkritik hierzulande nach.
khw


Alexander Sedlmaier: Konsum und Gewalt
Radikaler Protest in der Bundesrepublik

Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
464 Seiten, geb., 32,00 EUR