01.04.2021
Hamburger Korrespondenz im April 2021


Endlich mal für eine Woche Abwechslung in dem ewig weichgespühlten Coronagebrabbel der Parteien und Medien.

Seit dem 23. März 2021 blockiert die 400 Meter lange und knapp 59 Meter breite „EVER GIVEN“ den Suezkanal. Das 2018 gebaute Schiff fährt unter der Flagge Panamas, begann seine Reise in China, ist auf dem Weg nach den europäischen Häfen in Rotterdam und Hamburg. Das Containerschiff ist ein 20.000-TEU-Typ und ist Eigentum der japanischen Leasingfirma Shoei Kisen Kaisha. Das Schiff gehört zu den größten Containerschiffen der Welt.
Das knapp erst drei Jahre alte Containerschiff liegt diagonal verkeilt im Suez-Kanal fest. Der Bug ist eingegraben am Ufer, das Heck an der gegenüberliegenden Spundwand. Die Havarie hat ein Sandsturm und einen Ausfall der elektronischen Systeme ausgelöst, so Angaben vom Schiff. Da ägyptische Rettungskräfte die Lage des Containerschiffs bisher nicht verändern konnten, wurde inzwischen das holländische Havarie-Kommando Smit Salvage zur Hilfe gerufen. Die 175 Jahre alte Bergungsfirma hat einen legendären Ruf für Bergung auf See, schickte zehn Fachleute. Ähnlich wie Feuerwehrleute haben die Mitarbeiter von Smit Salvage rund um die Uhr Dienst in den Häfen Rotterdam, Houston, Singapur und Kapstadt. In den letzten 10 Jahren sind im Suez-Kanal 25 Schiffe auf Grund gelaufen. Seit dem 23. März warten mehr als 200 Schiffe aller Größen um den Kanal ins Mittelmeer oder in den Indischer Ozean passieren zu können.

Von der Größe der „EVER GIVEN“ gibt es zehn weitere Schiffe die 20.000 TEU-Container laden können. Es wurde im Trockendock der japanischen Werft „Imabari Shipbuilding“ in der Präfektur Ehime für die Ervergreen Marine in Taipeh, Taiwan gebaut.

Die Havarie im Suez-Kanal trifft den Welthandel in einer mehr als angespannten Lage. Noch immer ist Luftfracht teuer, da derzeit die Passagiermaschinen für eine Beiladung weltweit fehlen. Die Reedereien verdienen sich an den derzeitigen Engpässen eine goldene Nase. Kostete der Transport eines Standardcontainers vor Corona 1500 US-Dollar, können es heute bis zu 9000 Dollar sein. Auch die Wartezeit verursacht Kosten für die Reeder von mehr als 100000 US-Dollar.

Der Berater von Ägyptens Staatschef Abd al Fattah al Sisi, Mohab Mamisch versprach, dass der Kanal am 27. März wieder frei sei, ist das Havarie-Kommando Smit Salvage anderer Meinung. Peter Berdowski sagt, die Befreiung des Querliegenden Containerschiffs kann Tage und Wochen dauern. Umgehen lässt sich der derzeitige Engpass Suez-Kanal nur mit dem Umrunden von Südafrika, das sind aber zehn Tage auf See mehr und zusätzliche Kosten von einer halben Million US-Dollar.

Von der Blockade des Suezkanals ist auch der Hamburger Hafen betroffen. Je länger die Blockade dauert umso kostenintensiver wird es für den Umschlag im Hafen der Stadt. Beim Auslaufen am 9. Februar 2019 rammte die „EVER GIVEN“ in Hamburg-Blankenese den Fähranleger und die HADAG-Fähre „Finkenwerder“ schwer. Es entstanden Reparaturkosten von über einer Million Euro.


EVER GIVEN – Ein 400m-Thrombus im Suez-Kanal
In den Morgenstunden des 29. März schleppte das Bergungsunternehmen mit 14 Schleppern, unterstützt von zwei Schwerlastschleppern aus den Niederlanden und Cypern das 400 Meter lange Containerschiff um 3 Uhr Ortszeit frei. Hätte der Kraftakt der Schlepper nicht geklappt sollte das Schiff von 600 seiner Container geleichtert werden.

Erste Untersuchungen haben ergeben, dass die Ursache der Havarie mechanische oder Maschinenfehler ausschließen. Das Unglück deutet auf unerwartet starke Wüstenwinde oder einen Fehler der Mannschaft hin.

Die französische Reederei CMA CGM Group betreibt 400 eigene und gecharterte Containerschiffe, schickte als erste Reederei zwei Containerschiffe auf die Langstrecke um Afrika nach Europa, da die Suez-Canal-Authority (SCA) den Kanal noch nicht freigegeben haben. Auf eine Kanalfahrt warten im Roten Meer und Mittelmeer rund 400 Schiffe, davon 25 Öltanker und 13 Tierfrachter mit Schafen aus Rumänien.

Da seit dem 29. März die „EVER GIVEN“ wieder schwimmt, hat die SCA die Suez-Kanalfahrt wiedereröffnet. Aber nun gehen die Schwierigkeiten erst richtig los. Nicht nur dass auf die Häfen in Europa - auch Hamburg - und Asien eine Frachtwelle zurollt. Es wird nicht möglich sein, alle in etwa zur selben Zeit ankommenden Schiffe zur selben Zeit zu löschen. Im Handel zwischen Europa und China werden, da der Verkehr langsamer läuft als von den Logistikern es planten, wieder hunderttausend Container fehlen. Im April wird auch die „EVER GIVEN“ Hamburg anlaufen.

Jetzt beginnen Versicherungsfachleute nach der Ursache der Havarie zu forschen. Es drohen Rechnungen des Bergungsunternehmen in Millionenhöhe wie auch Schadenersatzforderungen, diese in Milliardenhöhe. Bei der Kanalfahrt waren zwei Lotsen an Bord, es sollen allerdings starke Böen gegeben haben. Das wirft bei einer Außenfläche von 10000 Quadratmetern auch die Frage nach der Manövrierbarkeit des 20.000 TEU Containerschiff „EVER GIVEN“ auf. Wir werden sehen, was die Untersuchungen zum Hergang der Havarie ergeben.
khw

Nachtrag 03.04.21:
Wegen der Auseinandersetzung um Schadenersatz wird sich die Weiterfahrt der „EVER GIVEN“ am Suez-Kanal wahrscheinlich noch eine Weile hinziehen. Der Container-Frachter wurde zwar freigeschaufelt und schwimmt wieder aber der ägyptische Staat will für die einwöchige Blockade und den Aufwand beim Freilegen Geld sehen. Die Kanalbehörde fordert wegen der tagelangen Blockade Schadenersatz in Höhe von 1 Milliarde Dollar und will die Weiterfahrt erst bei Einigung erlauben. Die „EVER GIVEN“ liegt derzeit im Großen Bittersee zwischen dem nördlichen und südlichen Teil des Suezkanals fest.