15.02.2019
Der Prozess gegen Katalonien


Zum Auftakt des Prozesses versammelten sich am Sonntag 10. Februar auf der Plaza Colón in Madrid 45.000 Menschen. In der ersten Reihe der Demonstranten vereint Santiago Abascal, Vorsitzender der rechtsradikalen Partei Vox, Pablo Casado von der Partido Popular und der Vorsitzende der Ciudadanos Albert Rivera. Die rechte Opposition hatte zum großen Protest gegen Ministerpräsident Pedro Sánchez unter der Losung: «Für ein vereinigtes Spanien - Wahlen jetzt» aufgerufen. Die drei Oppositionsparteien glauben, dass Sánchez PSEO-Minderheitsregierung nun sturmreif ist. Es ist nicht von ungefähr, dass er drei Tage vor Prozessbeginn zu dieser Demonstration kommt. Verlangt wird von den Initiatoren des Protestes der Rücktritt des Ministerpräsidenten Pedro Sánchez von Partido Socialista Obrero Español (PSOE) wegen seines Dialogs mit den Katalanen. Mit ihrer sonntäglichen Demonstration in Madrid baut das Rechte-Drei-Parteienbündnis den Druck gegen Sánchez auf. In der Erklärung heißt es u.a.: «Die Regierung hat sich der Erpressung derer gebeugt, die das Zusammenleben der Bürger zerstören wollen, hat auf die Verteidigung der Würde der Spanier verzichtet, mit dem einzigen Ziel, an der Macht zu bleiben.» Mit dieser Erklärung wird weiter die Konfrontation im Lande verschärft. Auch der Prozess gegen die 12 Katalanen wird dazu beitragen.

Um seinen Haushalt durch das Parlament zu bringen, benötigt Sánchez die Stimmen der katalanischen Parteien von Partit Demòcrata Europeu Català (PDeCat) und der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC). Die haben bereits ihre Ablehnung angekündigt. Scheitert Sánchez mit seinem Haushalt einen Tag nach Prozessbeginn gegen die 12 Katalanen, stehen wohl am 26. Mai in Spanien Superwahlen an. Neben den Europa-, Regional- und Kommunalwahlen müssen auch die Abgeordneten für das Parlament in Madrid gewählt werden.

Pünktlich um 10 Uhr begann am 12. Februar der Prozess gegen zwölf katalanische Politiker und Unabhängigkeitsbefürworter. Wegen „Rebellion“ angeklagt sind: Oriol Junqueras, Joaquim Forn, Dolors Bassa, Carme Forcadell, Jordi Sànchez, Jordi Cuixert, Jordi Turull, Josep Rull, Roül Romera, Carles Mundó, Santi Vila und Meritxell Borràs. Die Angeklagten sitzen in der Mitte des Gerichtsaales zu dritt in vier Reihen, die wegen „Rebellion“ Angeklagten in den drei ersten Reihen. Gegen den Widerstand der Zentralregierung unter Mariano Rajoy von der Partido Popular (PP) hatten sie am 1. Oktober 2017 eine Wahl zur Abspaltung Kataloniens von Spanien abgehalten. Einige Wochen später erklärte das Parlament von Katalonien sich zur eigenständigen Republik. Sofort annullierte das spanische Verfassungsgericht diesen Schritt, Ministerpräsident Rajoy entmachtete mit Hilfe des Paragrafen 155 der Verfassung die gewählte katalanische Regierung, setzte eine Zwangsverwaltung unter der stellvertretenden Ministerpäsidentin Soraya Sáenz de Santamaría ein.

Mit der Abwahl von Mariano Rajoy am 2. Juni 2018 und der Wahl von Pedro Sánchez von der PSOE als neuen Ministerpräsidenten entspannte sich die Lage zwischen der Zentralregierung in Madrid und der Generalitat de Catalunya in Barcelona sehr deutlich. Die Opposition verfolgte jeden Schritt Sánchez der Annäherung mit einem großen Misstrauen. Die auf beiden Seiten angestauten Emotionen lassen fürchten, dass die Aufarbeitung der Ereignisse vom Oktober 2017 unter keinem guten Stern stehen. Die sieben Richter des obersten Gerichts in Madrid unter Vorsitz von Manuel Marchena müssen nach Anhörung aller Zeugen, auch des Ex-Ministerpräsident Rajoy, entscheiden, ob sich die Angeklagten der Rebellion schuldig gemacht haben.

Dem widerspricht bereits Carles Puigdemont am 12. Februar auf einer Pressekonferenz in Berlin. Puigdemont wörtlich: «Es sei keine Rebellion, wenn man Wahlurnen aufstellt.» Weiter sagte er: «Der Prozess ist für die spanische Justiz wie auch für die spanische Demokratie eine Nagelprobe» und forderte die sofortige Freilassung der zwölf Angeklagten.

Die Generalstaatsanwaltschaft – fiscal general – sieht den Vorwurf als erwiesen und fordert langjährige Haftstrafen. So soll der ehemalige katalanische Vizepräsident Oriol Junqueras für 25 Jahre ins Gefängnis. Für Jordi Sànchez – Expräsident der Katalanischen Nationalversammlung ANC – und Jordi Cuixart – Expräsident von Òmnium Cultural – zwei Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung werden 17 Jahre Haft gefordert. Die gleiche Strafe wird auch für die ehemalige Präsidentin des katalanischen Parlaments, Carme Forcadell, gefordert.

Carles Puidemont Mitstreiter, die zum Teil über eineinhalb Jahre im Gefängnis sitzen, weisen die Vorwürfe zurück. Sie haben ihre Pflicht getan, den Volksentscheid vom 1. Oktober 2017, wo eine Mehrheit sich für die Lösung von Spanien entschied, umzusetzen. Auch die Rechtsvertretung des Staates – Abogacía del Estado – sieht keinen Vorwurf von Gewalt. Nach ihrer Sicht muss die Klage nicht auf Rebellion, sondern auf Aufruhr (sedición) lauten, hier wäre die Höchststrafe keine 25 sondern lediglich 12 Jahre.

Bei Prozessbeginn forderte der 131. katalanische Ministerpräsident Quim Torra erneut die sofortige Freilassung der zwölf Angeklagten.

Der Prozess begann am 12. Februar um 10 Uhr, wurde live vom TV des Obersten Gerichts übertragen, wurde vom TV3 - Televisió de Catalunya - übernommen. Nach der Verlesung der Anklage hat die Verteidiger für ihre Plädoyers das Wort. Als erster Anwalt sprach Andreu Van den Eynde, der Verteidiger von Oriol Jungqueras, der in 95 Minuten die Anklage auseinandernahm.

Nicht hilfreich für einen ruhigen Prozessverlauf wird die «Volksklage» der VOX-Partei werden. Javier Ortega Smith-Molina, ein Angehöriger des Militärs und Rechtsanwalt, derzeit Generalsekretär der VOX-Partei ist Vertreter der «Volksklage» und fordert für die Angeklagten Haftstrafen von 75 Jahre. Damit wird die Partei bei den kommenden Wahlen weitere Stimmen gewinnen.
khw