26.11.2018
Brisantes aus Spanien


Die Staatsanwaltschaft in Madrid will, dass die führenden katalanischen Republikaner, von der Anklagebehörde als Separatisten bezeichnet, wegen Rebellion und weitere Vorwürfe, Unterschlagung von Steuergeld, zu langfristigen Haftstrafen verurteilt werden. Doch mit der neuen PSOE Regierung von Pedro Sánchez kommt es in der spanischen Justiz zu ersten Differenzen mit den Hartlinern des Juristen Corps der Franquisten.

Anfang des Monats werden die Haftjahre, zu denen man die katalanischen Republikaner aburteilen will, bekannt. Für den früheren stellvertretenden katalanischen Ministerpräsidenten der Regierung Carles Puigdemont Oriol Junqueras, ein Historiker, Publizist, Politiker und Vorsitzender der Partei «Esquerra Republicana de Catalunya» sind wegen „Rebelión“ und weiteren Vorwürfen 25 Jahre Haft vorgesehen. Der ehemalige Vorsitzende des ANC «Assemblea Nacional Catalana» Jordi Sànchez und der Vorsitzende des Òmnium Cultural Jordi Cuixart - sollen beide 17 Jahre in Haft. Der ANC ist eine Bürgerbewegung mit dem Ziel der Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien. Die katalanische Kulturorganisation «Òmnium Cultura», noch zu Francos Zeiten am 11. Juli 1961 gegründet, hat zur Aufgabe die katalanische Sprache zu erhalten.

Eine gleiche Strafe soll auch die ehemalige Parlamentspräsidentin Carme Forcadell erhalten. Für vier weitere ehemalige Minister sind 16 Jahre vorgesehen. Der ehemalige Chef der Mossos d'Esquadra der Generalitat de Catalunya Josep Lluís Trapero soll elf Jahre ins Gefängnis. Nach der Planung sollen von den 22 Angeklagten bereits dreizehn im Januar der Prozess gemacht werden.

Noch vor Beginn des Prozessreigens hat es den Anschein, dass es dazu im Justizapparat erhebliche Differenzen gibt. Die Direktion des Staatsrechtsdienstes, die «Abogacía General del Estado», widersprach den Staatsanwaltschaften des Obersten Gerichtshof und forderte keine drakonischen Strafen. Auch hält die «Abogacía General del Estado» das Ausmaß der Gewalt vor und während des 1. Oktober 2017 für nicht ausreichend. Von den Übergriffen an diesen Tagen der kasernierten Guardia Civil und der Policía Nacional wird beim Prozessauftakt nicht gesprochen. Ob hier eine Anklage erfolgt, ist noch nicht bekannt.

Als stumpf erwiesen sich die Vorwürfe der «Rebelión» beim ehemaligen Regierungschef von Katalonien Carles Puigdemont. Im März 2018 auf Grund eines europäischen Haftbefehls beim Grenzübertritt aus Dänemark in Schleswig-Holstein festgenommen, beschloss das Oberlandesgericht in Schleswig Puigdemont nicht wegen Rebellion oder Aufruhr auszuliefern. Einen vergleichbaren Tatbestand kennt das Strafrecht de Bundesepublik Deutschland nicht, wohl den Hochverrat. Dazu reichte es nicht aus. Die belgische Justiz überstellte keinen geflohenen Katalanen an die spanische Justiz. Wenn sich die Grenzpolizisten ähnlich wie ihre Kollegen im Königreich Dänmak verhalten hätten, wäre die Bundesrepublik Teil der Auseinandersetzung geworden. Von enthalten sind wir weit entfernt.

Anders als die von der spanischen Justizministerin Dolores Delgado und Ministerpräsidenten Pedro Sanchez, beide von der Partido Socialista Obrero Español (PSOE), suchen eine demokratische Lösung des Problems. Die Opposition, voran Pablos Casado von der Partido Popular will harte Strafen für die nicht Madrid folgsamen Katalanen. Wortgewaltig warf er dem Ministerpräsidenten Sánchez vor, er habe den «Putschisten Katalonien in die Hände gespielt, indem er die Anweisung gegenben hat, auf eine Anklage wegen „Rebelión“ zu verzichten.» Für die der FDP ähnliche Partei Ciudadanos brachte der Vorsitzende Albert Rivera seine Worthülsen in Richtung Sánchez in Stellung, ohne dass sie Spuren hinterließen. Auch die extreme VOX-Partei und ihr Vorsitzender Santiago Abascal Conde, der seine politische Karriere als Mitglied in der Partido Popular begann, ist mit dieser politischen Formation nicht im Parlament vertreten. Daher kann er nur übers Radio seinen Hassgesang dem Ministerpräsident Pedro Sánchez zur Kenntnis bringen. In diesen Tagen hat die rechtsgestrickte Partei einen großen Zulauf selbst in Katalonien. Wenn die Prozesslawine Anfang 2019 in Madrid beginnt, wird nicht mehr mit dem Degen gefochten, dann kommt das Schwert. Heute noch trägt Parteiführer Abascal stets eine Waffe bei sich - der Grund: „hat noch immer Angst vor der ETA.

Anfang November stürzte die ehemalige Verteidigungsministerin und Generalsekretärin der Partido Popular María Dolores de Cospedal über den korrupten, den inhaftierten Polizeikommissar José Manuel Villarejo. Frage war nicht mehr, ob die Ex-Generalsekretärin der Volkspartei (PP) abtreten wird, sondern nur noch wann das passiert. María Dolores de Cospedal war eine der starken Frauen der Regierung Mariano Rajoy, das bis zu seiner Abwahl über den Misstrauensantrag am 1. Juni 2018. Wegen ihrer Verwicklungen in diverse Skandale trat die Ex-Verteidigungsministerin und Generalsekretärin am 5. November 2018, einem Montag, aus dem Parteivorstand der Partido Popular aus, wollte aber weiterhin Mitglied in der PP-Parlamentsfraktion bleiben, auch einer der wichtigsten Kommissionen weiterhin vorsitzen. Dabei hatte sich Cospeda noch große Hoffnungen gemacht, die Nachfolgerin von Rajoy zu werden.

Vor neun Jahre hat sie als Generalsekretärin der PP den ehemaligen Kommissar José Manuel Villarejo beauftragt Rivalen in der Partei und führende Mitglieder der regierenden PSOE auszuspionieren.

Der ehemalige Kommissar der Policía Nacional, sitzt seit einem Jahr im Gefängnis, brachte nun die PP stark unter Druck. Der neue PP-Parteichef Pablo Casado zog die Reißleine, was ihm schwerfiel, da er nur mit Hilfe von Cospedal neuer PP-Parteichef wurde. Aber die bevorstehenden Wahlen im bevölkerungsreichen Andalusien und die Europaparlamentswahlen im nächsten Frühjahr im Blick drängte er Cospedal zum schnellen Abgang aus de Parteiführung. Die Hardlinerin María Dolores de Cospedal hat 2017 den abtrünnigen Katalanen mit dem Einsatz des spanischen Militärs gedroht, weist heute dieses Ansinnen sie diesen zurück.

Nun begründet sie ihren Rücktritt damit, dass nur so die Partido Popular «von allen Angriffen" befreit wurde. Das Treffen mit dem Ex-Polizisten José Manuel Villarejo, seit einem Jahr wegen Bestechung, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation in Haft, verteidigt die Ex-Verteidigungsministein Cospeda. Nur es gibt nichts zu verteidigen. Alle Gespräche mit Villarejos wurden auf der Regierungsseite im Internet «moncloa.com» veröffentlicht. Das vorhandene Material führte mit zur Abwahl von Rajoy.

José Manuel Villarejo wurde am 3. August 1951 in El Carpio, Córdoba geboren. 1972 ging er zur Policía Nacional, kam drei Jahre später zur Polizei von San Sebastán. Hier arbeitete er als Antiterrorist, nahm an verschiedenen Operationen gegen die ETA teil. Wohl als Auszeichnung wurde Villarejo später nach Madrid zum Citizen Security Team des Oberen Hauptquartier versetzt. Ab 1983 nahm er von der Polizei 10 Jahre Urlaub. Danach arbeitet Villarejo als verdeckter Agent für das Innenministerium, geleitet vom PSOE Ministe José Luis Corcuea. Es wurden private Daten von Journalisten, Geschäftsleute, Politiker und auch Richtern verdeckt ermittelt. Selbst vom Richter Baltasar Garzón. Beteiligt ist Villarejo an den Ermittlungen von Luis Francisco Bárcenas Gutiérres, der vom PP-Präsidenten Mariano Rajoy zum Schatzmeister der Partei befördert wurde.

Zehn Jahre nutzte er seine sehr guten Kontakte als Unternehmer wie Privatdetektiv, führte, so nach spanischen Presseberichten, mehr als 40 Firmen, die mit einem Kapital von 16 Millionen Euro ausgestattet waren. Konnten ihm ehemalige Kollegen nicht helfen, dann bestach er die Mitarbeiter von Telefongesellschaften. Eintausend Euro war der Preis, um einen Telefonanschluss abzuhören, das sagte Villaejo in einem Gespräch Cospedal und ihrem Ehemann. Heute sind diese Aufnahmen sein Kapital und Lebensversicherung für den 67.jährigen Ex-Kommissars.

Nach Presseberichten soll das brisante Archiv von Villarejos aus mehereren Terabyte an Tonaufnahmen, Videofilmen und Dokumenten bestehen. Seit der Sicherstellung des Archivs sind sechs Beamte seit Monaten dabei, das Material zu sichten. Noch immer kann keiner sagen, was das Archiv alles enthält. In seiner Laufbahn als Polizist Staatsdienst, ausgezeichnet mit einer Ehrenmedaille, war Villarejo an allen Brennpunkten der spanischen Innenpolitik dabei: Bekämpfte die baskische Terrororganisation ETA wie die dschihadistische Terroristen. In Katalonien hörte er die Republikaner ab, um sie der Justiz zu diskreditieren. Interessiert war er stets an dem Privatleben prominenter Spanier, dazu gehörte der Richter Baltasar Garzón und die Geliebten des spanischen Königs Juan Carlos. Eine Rolle spielte er auch in dem Korruptionsverfahren «Gürtel». In diesem Prozess entdeckte das Gericht «das System der institutionellen PP- Korruption»“ das zum Sturz der Regierung Mariano Rajoy und dem politischen Ende von María Dolores de Cospedals führte.

Zu berichten ist auch, dass Villarejo unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Luis Rodriguez Zapatero mit der Hilfe eines syrischen Waffenhändlers angebliche Verbindung zum Regime in Damaskus hielt. Das Vertrauen des spanischen Sicherheitsapparats war so groß, dass der Geheimpolizist zeitweise drei falsche Identitäten besaß. Seine Tonaufnahmen, bekannt als «Corinna-Gate», führten zu einer Krise im spanischen Königshaus. Das war ein heimlich aufgezeichnetes Gespräch, das der Geheimdienstler Villarejo mit Corinna zu Sayn-Wittgenstein, der Freundin von König Juan Carlos, im Jahr 2015 in London geführte. Vor sechs Jahren hatte die 30 Jahre jüngere Deutsche Juan Carlos zur Elefantenjagd nach Botswana begleitet, bei der sich der Monarch die Hüfte brach. Zwei Jahre später dankte Juan Carlos ab. Bei einem der Mittschnitte von Villaejo wird über eine Provision von rund 80 Millionen Euro gesprochen, die Juan Carlos, dem nach das spanische Konsortium für den Bau einer Hochgeschwindigkeitsstrecke bekommen haben soll. Der Betrag ging von Saudi-Arabien direkt auf ein Schweizer Frankenkonto. Wohl nahm die spanische Antikorruptionsbehörde Ermittlungen auf, die jedoch nicht weiterführten.

Auch tauchen Aufnahmen aus dem Jahre 2009 von der derzeitigen Justizministerin Dolores Delgado, damals Staatsanwältin bei einem Mittagsessen mit Richter Garzón und Villarejo auf. Damit setzt der PP Vorsitzende Pablo Casado – selber nicht ohne Tadel – die PSEO-Regierung von Pedro Sánchez unter Druck. Frage wieviel Dreck aus dem Archiv des Geheimpolizisten noch über Spanien ausgeschüttet wird.

Nachtrag
Offenbar hat die katalanische Regionalpolizei «Mossos d'Esquadra» ein Attentat mit einer Waffe auf Ministerpräsident Pedro Sánchez (PSOE) vereitelt. Im September hat Mossos in Tressassa - 28 km von der Plaça de Catalunya in Barcelona entfernt - einen 63 Jahre alten Wachmann festgenommen. Der sehr gut ausgebildete Schütze hatte ein größeres Waffenarsenal. Für seine Tat gab der Mann - so ein BeRicht im Internet - als Motiv die geplante Umbettung des Diktators Franco aus dem «Valle de los Caídos» durch die PSOE-Regierung an. Laut der spanischen Online-Zeitung «Publíco» soll er im sozialen Netzwerk geschrieben haben: «…ich bin bereit, mich für Spanien zu opfern.»
khw