18.10.2018
Freispruch im Prozess gegen den Gynäkologen Eduardo Vela


Ende Juni 2018 begann in Madrid der Prozess gegen den Gynäkologen Eduardo Vela. Dem heute 85-Jährigen wirft die Staatsanwaltshaft vor, während der Franco-Diktatur (1939–1975) am staatlich organisierten Raub von Neugeborenen beteiligt gewesen zu sein. Den Müttern wurde damals erklärt, ihr Kind sei leider tot zur Welt gekommen. Zum Beweis wurde ihnen ein totes und kaltes Baby, das vorbereitet im Kühlschrank lag, in die Arme gelegt.

Die Anklage stützt sich auf ein Dokument, das die Unterschrift von Vela trägt mit dem Hinweis, dass die damals 46 Jahre alte Frau eine gesunde Tochter zur Welt brachte, was nicht stimmte. Die Adoptivtochter mit dem Namen Inés Madrigal Pérez hat ihre Geschichte zur Anklage gebracht. Die vermeintliche Mutter klärte Inés am 18. Geburtstag auf, dass sie ein Adoptivkind sei. Darauf entschloss sich Inés, nach ihrer leiblichen Mutter zu suchen. Bei den Nachforschungen half die Adoptivmutter, gab den entscheidenden Hinweis auf die Klinik »San Ramón« in Madrid.

Stets lagen dem Kinderraub genehmigte Unterlagen der Behörden vor. Aus vermeintlich moralischen Motiven wurden »sündigen und ledigen Müttern« die Babys weggenommen, damit die Kinder bei frommen Adoptiveltern eine christliche Erziehung bekommen.

Im Jahr 2011 machte ein erster Babyraubprozess gegen die Nonne María Gómez Valbuena vom Orden »Töchter der Nächstenliebe von St. Vicent de Paúl« aufmerksam. Jahrzehnte hatte die Ordensschwester auf der Sozialstation des Madrider Krankenhauses »Santa Cristina« gearbeitet. Für die Anklage wurden 1072 Voruntersuchungen durchgeführt, und es gab 14 Exhumierungen. Zu einer Verurteilung der Nonne kam es nicht, da sie vor Prozessende an Herzversagen starb.

Nach Schätzungen von Historikern sollen in den Jahren der Franco-Diktatur bis zu 300.000 Säuglinge nach der Geburt Müttern gestohlen und an neue Eltern übergeben worden sein. Es gibt Hinweise, dass sich der Kinderraub bis zur Jahrtausendwende fortgesetzte.

Die ersten Fälle reichen bis in das erste Bürgerkriegsjahr 1936 zurück. In den Gebieten, die nach blutigen Kämpfen unter Francos Kontrolle kamen, wurden unverheirateten Müttern und Ehefrauen der »Roten« Säuglinge geraubt mit der Lüge, sie seien gleich nach der Geburt gestorben. Nach heutigen Erkenntnissen waren an den Rauben auch Priester beteiligt. Teile der republikanischen Kräfte führten im Verteidigungskampf der Republik einen erbarmungslosen Kirchenkampf, nicht allein die Zerstörung von Kirchen gehörte dazu, sondern auch die Ermordung katholischer Geistlicher.

Den ideologischen Unterbau für den staatlich sanktionierten Raub lieferte der im Dienst des Militärs stehende Psychiater Antonio Vallejo Nájera (1889–1960). Er vertrat die Ansicht, dass der Marxismus eine Art »Geisteskrankheit« sei, Babys dürften keinesfalls die »Milch des Kommunismus einsaugen«. Er plädierte dafür, die Kinder der Linken dem Einfluss ihrer Eltern zu entziehen. Auf die Weise sollte die »spanische Rasse regeneriert« werden. Später spielten auch finanzielle Zuwendungen für Ärzte und Klinikchefs eine Rolle. Bereits 1985 berichtete die Tageszeitung El País über den Raub von Kindern in der Franco-Diktatur. Die Recherche der Zeitung verlief ergebnislos. Die Behörden konnten keine Untersuchungen einleiten, da es weder Dokumente noch Zeugen gab.
Vor etwa zehn Jahren nahm sich Richter Baltasar Garzón der Thematik an. Der Jurist kam auf 30.000 Fälle in der Zeit vom spanischen Bürgerkrieg bis in die 1950er Jahre. Es sei ein politisch motovierter und perfekt organisierter Kinderraub gewesen. Garzón beklagte das Versagen des Staates, der noch nicht einmal bereit war, für die Suche nach den Müttern seine Archive zu öffnen.

Im aktuellen Prozess gegen Eduardo Vela hatte der Staatsanwalt eine Freiheitsstrafe von elf Jahren gefordert. Die Richter hielten die Vorwürfe in der Verhandlung für erwiesen, sprachen aber dennoch kein Urteil, da für das Gericht der Fall verjährt ist. Ob eine Anklage verjährt ist, liegt in Spanien stets im Ermessen des Gerichts. Der Anwalt der Klägerin hat Berufung am Obersten Gerichtshof in Madrid eingelegt. Der Ausgang des Prozesses wird ähnliche Strafverfahren beeinflussen.

Seit Jahren hilft in Spanien die Organisation »SOS Bebés robados« (SOS gestohlene Babys) bei der Suche nach den wahren Müttern. Nun will die Podemos-Partei im Parlament ein Gesetz einbringen, dass die Suche nach den leiblichen Eltern erleichtern soll.
khw