26.05.2018
Quim Torra – der 131. Präsident von Katalonien


Die Partei Candidatura d'Unita Popular (CUP) enthält sich mit ihren 4 Stimmen. 66 Ja-Stimmen von Junts per Catalunya und Esquerra gegen 65 Nein-Stimmen von Ciudadanos, Partido Socialista Catalunya, Comú-Podem, entscheiden die Wahl. Wie am ersten, so auch am zweiten Wahltag hat Torra, der sein Mandat in Absprache mit Carles Puigdemont übernommen hat, spricht im Parlament von der Absicht, eine katalanische Republik aufzubauen und dafür einen konstituierenden Prozess durchzuführen. Abschließend sagte Torra: «Ich danke der Abstimmung und Präsident Puigdemont für seine Großzügigkeit, Visca Catalunya lliure - für ein freies Katalonien.» Mit der katalanischen Nationalhymne «El Segadors» (deutsch: „Die Schnitter“) endete die Wahl des neuen Katalanischen Präsidenten.

Bereits Tage vor der Wahl schloss der Richter am Obersten Gerichtshofs in Madrid, Pablo Llarena nicht aus, dass Carles Puigdemont und die anderen katalanischen Politiker wegen der weniger schweren Delikte «Verschwörung zur Rebellion» und «Aufstand» (spanisch sedición) anzuklagen, sollte der Vorwurf der «Rebellion» vom Gericht in Schleswig nicht anerkannt werden.

Am 16. Mai lehnt ein Gericht in Brüssel die Auslieferung von drei früheren Mitgliedern der Regionalregierung Puigdemonts nach Spanien ab. Das Gericht schloss sich der Sichtweise sowohl der Verteidigung wie der Staatsanwaltschaft an. Die Verteidigung führte an, dass die Ende März von der spanischen Justiz angefertigten Haftbefehle nicht gültig seien. Auch das Gericht monierte, dass die Haftbefehle auf einen Antrag nur zur Auslieferung der drei Politiker beruhen, ihnen jedoch zusätzliche Vergehen zur Last gelegt werden. Entsprechende spanische Haftbefehle gebe es nicht. Es handelt sich hier um die drei ehemaligen Politiker, die Agrarministerin Meritxell Serret, den Kulturminister Lluís Puig i Gordi und den Gesundheitsminister Toni Comín.

Ohne einen Eid auf die spanische Verfassung und Monarchie abzulegen, übernahm am 17. Mai der gewählte Quim Torra das Amt des katalanischen Regionalpräsidenten. In der kurzen, schlichten Zeremonie, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Palau de La Generalitat de Catalunya in Gegenwart des Parlamentspräsidenten Roger Torrent stattfand, schört er «Treue gegenüber dem katalanischen Volk und dem Parlament». Zur Erinnerung, eine ähnliche Eidesformel sprach Carles Puigdemont bei seiner Amtseinführung, das Oberste Gericht hat damals keine Einwände erhoben. Nun will die Partido Popular (PP) gemeinsam mit der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und der Ciudadanos eine Gesetzesinitiative ins Parlament von Madrid einbringen, die Amtsträger verpflichtet, die spanische Verfassung anzuerkennen.

Der minimalistische Vereidigungsakt von Torra wurde live vom katalanischen Fernsehsender TV 3 übertragen. Einzige Symbole im Saal die «Senyera» (katalanische Fahne) und das Medaillon, das den Präsidenten identifiziert. Als Symbol der Unterstützung und Solidarität mit den Inhaftierten und Exilierten trägt der Präsident das gelbe Band. Nicht einmal drei Minuten dauert die Amtseinführung von Torra am 17. Mai. Wegen dieser Form der kurzen Amtseinführung hatte die Regierung Madrid die Teilnahme abgesagt.

An diesem Tag beantragt die spanische Staatsanwaltschaft drei neue Haftbefehle für die katalanischen Regierungsmitglieder, deren Auslieferung stets die belgische Justiz ablehnt. Das stieß auf eine große Verärgerung der spanischen Justiz in Madrid. Grund der Ablehnung ist ein juristischer Formfehler. In Brüssel heißt es: «Die EU-Haftbefehle waren ergangen, ohne dass zuvor ein nationaler Haftbefehl vorlag.» Nun hoffen die Angeklagten, dass die Justizbehörden in der Bundesrepublik und Schottland die Haftbefehle wegen Formfehlern abweist. Der zuständige Richter am Obersten Gericht in Madrid, Pablo Llarena hofft, dass die Justiz in Schleswig-Holstein nicht von ähnlichen «Interpretationsfehler» spricht wie in Brüssel. Llarena: «Der EU-Haftbefehl gegen Puigdemont genüge allen Anforderungen». Wir werden es sehen.

Bisher gibt es vom spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy kein Gesprächsangebot an Quim Torra. Auch wurde der Verfassungsartikel 155 ist nicht aufgehoben, mit dem Madrid Katalonien regiert. Dabei hätte das sofort - so die Verfassung - nach der Wahl des 131. Katalanischen Regierungspräsidenten geschehen müssen. So der Beschluss vom spanischen Senat vom Herbst 2017. In einem Interview mit dem Sender TV 3 (Katalnisches Fernsehen) sagt Quim Torra: «…zu meinen Maßnahmen gehört der Impuls eines „konstituierenden Prozess“, der von mir in einem „republikanischen Konstruktionsprozess“ sich fortsetzt.» Weiter sagte Torra: «Wir sprechen von einer humanitären Krise, wir haben Menschen im Gefängnis und im Exil.»

Die Wahl von Quim Torra wird konfrontiert mit Meinungsverschiedenheiten, besonders von seinen frühen antispanischen Tweets, diese vor Jahren geschrieben. Dafür entschuldigt sich Torra heute und sagt: «…wenn es jemand als Beleidigung verstanden hat, so tut es mir sehr leid. Auch dass eine Karriere von sechs Tweets öffentlich überwacht wird, die vor sechs Jahren veröffentlicht wurden.» Die Torra Tweets wurden süffisant von FAZ, SZ und NZZ veröffentlicht.

Die Vorstellung der Regierungsmannschaft am 19. Mai ist für den spanischen Ministerpräsidenten eine Provokation. In der Namensliste der neuen Mitglieder des katalanischen Exekutivrates die Namen von Jordi Tull (Regierungssprecher) und Josep Rull (für Nachhaltigkeit), beide befinden sich in Untersuchungshaft. Zwei weitere neue Regierungsmitglieder Antoni Comín (Gesundheit) und Luís Puig (Kultur) leben im belgischen Exil.

In der 13 Namen umfassenden Ministerriege drei Frauen: für die Justiz Ester Capella, Landwirtschaft Teresa Jordà und Elsa Artadi als Regierungssprecherin. Vizepräsident und verantwortlich für die Wirtschaft ist Pere Aragonès. Bereits einen Tag später kritisiert die spanische Zentralregierung den neuen katalanischen Ministerpräsidenten Torra für seine Auswahl der Minister scharf. Er, Torra, hat es verpasst, sichtbar zu zeigen, dass er bereit sei, zur Normalität - wohl sich der Korruption der Pardido Popular anzupassen - zurückzukehren. Die Regierung in Madrid, so Marianao Rajoy, ist allein zur Ernennung der Minister autorisiert.

Der Ministerpräsident Rajoy bestätigt, dass der Artikel 155 der spanischen Verfassung für Katalonien nicht aufgehoben wird. Damit besteht der Ausnahmezustand in Katalonien weiter, dass obwohl eine neue Regierung gebildet ist. So hatten es 2017 die Partido Popular (PP), die Sozialdemokratie (PSOE) und die Ciudadanos einmal beschlossen. Nur ist das heute nicht mehr gültig. Dem neuen Beschluss haben neben Ministerpräsident Rajoy, der Generalsekretär der PSOE, Pedro Sánchez, und Albert Rivera, von der Partei Ciudadanos zugestimmt. Damit hat sich der radikale Rivera von den Ciudadanos durchgesetzt. Trotz der Wahl des 131. Katalanischen Präsidenten will Ministerpräsiden Rajoy weiter die Kontrolle über die Region behalten. Das ist ein stiller Staatstreich in Spanien.
Die PP, die in Katalonien gerade noch auf 4 Prozent der Stimmen kommt, verhindert gemeinsam mit PSOE und Ciudadanos eine Normalisierung. Joaquím Urías, Professor für Verfassungsrecht an der Universität von Sevilla, spricht in seinem Beitrag für die spanische Tageszeitung «eldiario.es» von einem «Juristischen Staatsstreich». Er bezeichnet das Vorgehen gegen die Katalanen als «Rechtsumgehung», nennt es einen «großen Betrug». Ein Problem und verboten ist es für Torra nicht, so Urías, «einen Gefangenen oder eine im Ausland weilende Person zu ernennen».

Der Sprecher von Ciudadanos Carlos Carrizosa glaubt, dass Qium Torra mit seiner Wahl das Gesetz und die Verfassung gebrochen hat. Die Partei gab bekannt, dass sie gegen die Amtseinführung von Torra vor Gericht klagen wird.


Katalonisches Parlament


Parlamentpräsident Roger Torrentj


Quim Torra redet


Bekanntgabe Wahlergebnis


Eine Stimme mehr


Gratulation

Die erste Dienstreise von Torra ging am 21. Mai zum Gefängnis Estremera an der Grenze von Madrid zu Quenca, wo die ehemaligen Mitglieder der Regierung Puigdemont, Oriol Junqueras, Jordi Turull, Joseo Rull und Joaquim Forn i Raül Romeva, die hier auf ihren Prozess warten, besuchte. In dem Gefängnis Alcalá-Meco in der Gemeinde Alcalá de Henares sind es die ehemalige Parlamentspräsidentin Carme Forcadell, die ehemalige Ministerin für Soziales und Familie Dolors Bassa, Jordi Sànchez von der Assemblea Nacional Catalana (ANC) Jordi Sànchez, vom Òmnium Cultural Jordi Cuixart die er aufsucht.

Am 22. Mai zur Mittagszeit verbreiteten die Radiosender in der Bundesrepublik von DLF bis zum BR die Nachricht: «Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein will den ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Puigdemont an Spanien ausliefern». Weiter heißt es: «Eine Überstellung wegen des Vorwurfs der Rebellion sei gerechtfertigt, teilte die Behörde mit. Man bereite derzeit einen entsprechenden Antrag vor. Die (deutschen) Strafverfolger beantragten darüber hinaus, Puigdemont in Auslieferungshaft zu nehmen. Das wurde vom Oberlandesgericht von Schleswig-Holstein in Schleswig jedoch abgelehnt». Die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig konnte sich nicht mit ihrer Auffassung von einem schweren Landfriedensbruch durchsetzen. Dass es bei der Prüfung der Richter vom OLG in Schleswig zu einer anderen Entscheidung kommt, ist nicht wahrscheinlich. Noch halten sich die Richter an den Vorwurf der „Untreue“ gebunden. Nach einer Tatverdachtsüberprüfung kann es zu einem zweifelhaften Ausgang allerdings kommen.

Carles Puigdemont spanischer Anwalt schreibt auf Twitter zur jüngsten Entwicklung: «Die Staatsanwaltschaft plädiert, die Richter entscheiden». Ob es zur Auslieferung von Carles Puigdemontan, er lebt derzeit in Berlin, an die spanische Justiz kommt, werden wir sehen.
khw