03.11.2017
... es wird eine unendliche Geschichte


Das katalanische Parlament erklärte am 27. Oktober seine Unabhängigkeit von Spanien mit 70 Ja-Stimmen bei zehn Gegenstimmer und zwei Enthaltungen. Den Beschlussantrag hatten die Parteibündnisse Junts pel Sí („Zusammen für ja“) und Candidatura d'Unitat Popular („Kandidatur der Volkseinheit“) gestellt. In Barcelona gab es großen Jubel, und auf den Straßen ertönte die katalanische Nationalhymne »Els Segadors« („Die Schnitter“). Regionalpräsident Carles Puigdemont rief die Katalanen auf, in den schwierigen Stunden zusammenzustehen.

Kurz nach der Unabhängigkeitserklärung Kataloniens billigte in Madrid der Senat mit 214 Ja-Stimmen bei 47 Gegenstimmen und einer Enthaltung den Antrag der Zentralregierung, den Artikel 155 – Zwangsverwaltung Kataloniens – in Kraft zu setzen. Ministerpräsident Mariano Rajoy verkündete unmittelbar nach der Sitzung die sofortige Entmachtung Puigdemonts und seiner Minister. Mit den Aufgaben des Präsidenten der Generalität de Catalunya delegierte an seine Vizepräsidentin Soraya Sánchez de Santamaría. Entlassen wurde auch der Chef der Mossos d'Esquadra, Josep Lluis Trapero und seinen Stellvertreter entlassen. Wegen Rebellion drohen Puigdemont bis zu 30 Jahre Haft.

Ob aber Mariano Rajoy als Triumphator aus diesem Konflikt hervorgeht, ist nicht gewiss. Der Weg zur sogenannten Legalität und Normalität Kataloniens wird nicht einfach. Wahrscheinlich wird sich das Ergebnis der von Madrid am 27. Oktober angekündigten Neuwahlen am 21. Dezember nicht wesentlich zugunsten der Zentralregierung verschieben. Was wird dann? Die EU in Brüssel stellt sich hinter die Maßnahmen von Rajoy. Auch der Sozialdemokrat und Außenminister Sigmar Gabriel pflichtete dem EU-Kurs bei, Berlin wünscht sich eine einiges und starkes Spanien.

Es war vorauszusehen, dass der spanische Ministerpräsident das Angebot Puigdemonts ablehnen würde, innerhalb einer Zwei-Monats-Frist eine politische Lösung in der Frage Katalonien zu finden. Seit dem Putschversuch von Teilen der Guardia Civil und des Militärs am 23. Februar 1981 ist der Katalonien-Konflikt zur schwersten Krise auf der Iberischen Halbinsel geworden. Allerdings begann diese Krise nicht erst in diesen Tagen. Auch Rajoys Nichtstun hat wesentlich zum Konflikt beigetragen. In den sechs Jahren seiner Regierungszeit gab es keinen Versuch aus Madrid, die Beziehungen mit Katalonien zu verbessern. Und bereits 2006 – Rajoy war noch Oppositionsführer – klagte seine PP gegen ein neues Autonomiestatut, das Katalonien mehr Rechte geben sollte. 2010 erklärten die Verfassungsrichter das neue Statut in großen Teilen für ungültig. Das empörte die Katalanen, enttäuscht wandten sie sich vom spanischen Zentralstaat ab.

Was man auch wissen sollte: Selbst in den Zeiten, als die baskische ETA Spanien mit Bomben überzog, gab es stets Gespräche zwischen den Basken und Madrid.

Seit dem Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober, haben nach offiziellen Zahlen 540 Unternehmen ihren Sitz in andere Teile Spaniens verlegt, darunter Banken, Versicherungsunternehmen, Spaniens größter Verlag Planeta und das Energieunternehmen Gas Natural Fenosa.

Dass die spanische Regierung nicht mit einem schnellen Ende der Krise rechnet, macht der Bericht des Wirtschaftsministers Luis de Guindos deutlich. In seinem Haushaltsentwurf 2018 korrigierte jetzt er frühere Zahlen. So wird für das kommende Jahr mit einem geringeren Wirtschaftswachstum gerechnet. Auch befürchtet Madrid, dass die Staatsverschuldung Spaniens, das sich noch von der schweren Finanzkrise erholt, höher sein wird als bisher. 2017 wird Spanien mit 3,1 Prozent die Defizitgrenze knapp überschreiten, im nächsten Jahr wird die Defizitquote über den 2,2 Prozent liegen, die Madrid vor dem Ausbruch der Abspaltungskrise prognostiziert hatte.

Über allen öffentlichen Gebäude in Katalonien wehen über der Senyera (spanisch Señera) nun die Fahnen von Spanien.

Bei Redaktionsschluss war die Lage in Spanien weiter ungewiss. Wird Katalonien zur spanischen Tragödie?
khw