13.11.2017
Katalanische Tragödie Teil 3


Auf der Großdemonstration in Barcelona am 11. November nahmen nach Angaben der Polizei über 750000 Katalanen teil. Es können aber auch eine Million Teilnehmer gewesen sein. Die Demonstranten warfen der Zentralregierung in Madrid vor, gegen die Freiheitsrechte der katalanischen Bürger zu verstoßen, da frei gewählte Abgeordnete von ihren Aufgaben entbunden wurden. Am 12. November kommt der spanische Ministerpräsident Rajoy nach Barcelona. Seine Popularität ist nach der Absetzung der gewählten Regierung im freien Fall. Rajoy will für seine Partido Popular (PP) die Kandidaten für die Wahl am 21. Dezember 2017 vorstellen.

Wie bei den letzten Wahlen in Spanien im Dezember 2016 setzt Ministerpräsident Rajoy wieder auf das Datum 21. Dezember. Ob er damit Glück hat, ist fraglich. Nach Umfragen vor einigen Tagen durchgeführt, könnten die Katalanen, die sich von Kastilien separieren wollen, wieder, wenn auch mit einer knappen Mehrheit gewinnen. Ein Wahlbündnis, die Frist lief am 7. November ab, kam nicht zu Stande. Mit seiner Flucht am 5. November hat der entlassene katalanische Präsident nicht die Unabhängigkeitsbewegung erschüttert, vielmehr ist sie fester verzahnt als vorher.

Carles Puigdemont wird der Kandidat der PDeCAT bei der Wahl am 21. Dezember sein. Die «Partit Demòcrata Europeu Catalá» - eine politische Partei im Spielraum der autonomen Gemeinschaft von Katalonien. Die Partei wurde von katalanischen Demokraten im Juli 2016 gegründet und am 29. September 2016 zugelassen. Die Partei definiert sich in ihren Dokumenten als «demokratisch, katalanisch, pro unabhängig, europäisch und humanistisch».

Trotz eines internationalen Haftbefehls der Madrider Regierung war die Verweildauer von Puigdemont und seiner vier Mitstreiter in einem belgischen Gefängnis nur kurz. Ein Gericht setzte die Katalanen gegen Auflagen wieder auf freien Fuß. Die Vorgeschichte: Am 30.Oktober erhebt die spanische Staatsanwaltschaft Anklage gegen den ehemaligen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont und den Angehörigen der ehemaligen Regierung. Der Vorwurf lautet unter anderem Rebellion, Auflehnung gegen die Staatsgewalt, Unterschlagung von öffentlichen Geldern, so der Generalstaatsanwalt José Manuel Maza. Die Erklärung der Unabhängigkeit von Katalonien haben zur Krise geführt. Die Höchststrafe für «Rebellion» beträgt in Spanien 30 Jahre Gefängnis.

Am 2. November kündet die Richterin Caren Lamela Haft für acht Angeklagte, nur der Neunte – Santi Vila - kommt gegen Zahlung von 50.000 EUR Kaution frei. Die Angeklagten werden auf fünf Gefängnisse der Comunidad de Madrids verteilt.

Nur Carles Puigdemont erscheint, trotz Vorladung nicht in Madrid. Er und vier seiner Minister verlassen Catalunya und fliegen nach Brüssel, um von hier Druck auf die Untätige EU auszuüben. Die Strukturen in Brüssel sind festgezurrt. Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker wird am 31. Oktober in Coimbra, der ältesten portugiesischen Universität, mit einem Doktor Honoris Causa ausgezeichnet. Für den Prof. Fernando Alves Correira, ist Juncker eine «relevante Persönlichkeit beim Aufbau und der Konsolidierung der Europäischen Union». Kein Wort von Alves zu den Vorgängen im Nachbarland Spanien, wo frei gewählte Abgeordnete in Haft genommen werden, ebenso als ob Spanien noch vom Diktator Franco beherrscht wird. Ein weiterer Doktorhut wird Tage später Juncker von der Universität Salamanca verliehen – doppelt hält eben besser.

Etwa 200 katalanische Bürgermeister sind am 7.November zur Unterstützung von Carles Puigdemont in Brüssel eingetroffen, um vor dem Hauptsitz der EU-Kommission zu demonstrieren. Der katalanische Europabgeordnete Jordi Solé sagt: «Die 200 Bürgermeister werden vor den europäischen Institutionen ihre Unterstützung der Regierung von Katalonien zum Ausdruck bringen. Die Bürgermeister verurteilen die gegenwärtige politische wie gerichtliche Situation. Sie fordern Spanien auf, zur Normalität zurückzukehren.»

Aber eine Normalität ist nicht in Sicht. Bereits jetzt führt sich der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy als Sieger auf, als wenn die Wahlen in Katalonien bereits gewonnen sind, die Krise beendet ist. Die von Rajoy eingesetzte Katalonien - „Retterin“ – Vizepräsidentin Sorya Saénz de Santamaría - wie Rajoy Jurist – bekam von der Wirtschaftszeitung «El Economista» den Titel «Die mächtigste Frau Spaniens» verliehen. Seit 2011 die Nummer 2 der regierenden Partido Popular im Palacio de la Moncloa, dem Sitz der spanischen Regierung in Madrid.

Auf der Frontpage der Tageszeitung «Junge Welt» - «Generalstreik für Freiheit» - heißt es: „Tausende Menschen demonstrierten in Katalonien gegen Unterdrückung durch Madrid und für die Freilassung der politischen Gefangenen. Zum 24stündigen Generalstreik hatte der Linke Gewerkschaftsdachverband Intersindidical-CSC aufgerufen. Der Streik richtete sich offiziell «gegen die Verarmung der Arbeiterklasse». Die beiden großen Gewerkschaftsverbände CCOO und UGT riefen nicht zum Streik auf, mobilisierten ihre Mitglieder zu den Kundgebungen in Katalonien.

Seit den frühen Morgenstunden wurden die Autobahnen und Schnellstraßen blockiert. Unterbrochen war selbst die AVE-Schnellzugverbindung nach Paris. Ein Transparent am Rathaus in Barcelona und weit sichtbar forderte «Freiheit für die politischen Gefangenen». Erstaunlich war, dass das spanische TVE in seinen Nachrichtensendungen einmal «objektiv aus allen katalanischen Landesteilen» berichtete.

In der Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) kein Wort dazu. Für ihren Korrespondent Hans-Christian Rößler war der Streiktag «Ein fast normaler Tag». Bereits am 8. November annullierte das Verfassungsgericht in Madrid die katalanische Unabhängigkeitserklärung. Begründung: «Das Recht auf Autonomie ist nicht mit Souveränität zu verwechseln.» Seit dem 9. November ist auch die abgesetzte katalanische Parlamentspräsidentin Carmen Forcadadell in Haft. Mit drei von Madrid abgelösten Abgeordneten war sie freiwillig angereist. Nun wurde Forcadell in Untersuchungshaft genommen. Gegen eine Kaution von 150.000 EUR, so der Oberste Gerichtshof von Spanien, könne sie sofort wieder freikommen.
khw