12.07.2017
Nach dem G20


In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – vor und hinter dem Blatt stets ein kluger Kopf – schreibt in der Ausgabe vom 8. Juli 2017 der Hamburger Korrespondent der Zeitung Frank Pergande über den Einsatzleiter Hartmut Dudde u.a.: «Der 1962 in Karlsruhe geborene Dudde ist ein erfahrener Polizist, der es in Hamburg schon häufig mit linksradikalen Krawallen zu tun hatte. Es war klar, wie Dudde in diesen Einsatz gehen würde: freundliche Polizisten, wo immer die notwendigen Absperrungen akzeptiert und genehmigte Demonstrationen friedlich verlaufen würden; alle Härte aber, wenn der Gipfel in Gefahr geraten könnte, auch durch militante Aufwiegler.

Die Polizei hat für ihre Darstellung viel in der Öffentlichkeit getan. Allein das Kommunikationsteam, das unter anderem die Demonstrationen begleiten soll, um zu deeskalieren, ist 200 Mann stark.»

Weiter heißt es: «Vermutlich hat er damit gerechnet, dass er nicht einmal auf eine große politische Unterstützung aus dem Rathaus rechnen kann. So sind ihm die Grünen, die an der Regierung beteiligt sind, in den Rücken gefallen, bevor der Gipfel überhaupt begonnen hatte. Am Dienstag meinten sie, der Einsatz sei ja nicht gerade optimal angelaufen; es ging da um ein Protestcamp, über das Organisatoren und Polizei vor Gericht stritten. Eine schwierige Situation entstand, als die Polizei Wohnzelte beschlagnahmte, weil sie Wohnen im öffentlichen Park nicht dulden wollte. Später bestätigten die Gerichte diese Entscheidung. Für einen Moment, mitten in der Nacht, sah es aber so aus, als würde die Polizei Unrecht tun. Die Gipfelgegner machten daraus eine große Sache, und der Name des Parks, Entenwerder, wurde zum Symbol.»

Der so positiv über den Alphamann aus Baden-Württemberg Dudde schreibt, hat nach der Wende, wo er an der Karl Marx Universität in Leipzig seine Ausbildung als Journalist bekam nicht nur die Seiten gewechselt. Als sein Beitrag in den Druck ging, war das Schulterblatt noch kein Schlachtfeld von den marodierenden Banden, denen man jedes politische Bewusstsein absprechen muss.

Am Samstagmorgen 8. Juli 2017 gab es für die Hamburger Polizei, auch nicht mehr für Hartmut Dudde, den Polizeipräsident Ralf Martin Meyer, den Innensenator Andy Grote und den 1. Bürgermeister der Stadt Olaf Scholz keine „win-win-situation“ in der Hansestadt.

Wohl haben der Russische Präsident Wladimir Putin mit dem US-Präsidenten Donald Trump eine neue Waffenruhe für Teile des Bürgerkrieglandes Syrien vereinbart, das traf nicht für den Stadtteil Schanzenviertel mit der Roten Flora zu. Protokoll vom Freitag 7. Juli um 23 Uhr 48: Die Polizei ist nach langer Phase des Abwartens gegen die Randalierer im Schanzenviertel vorgerückt. Das wird von der Polizei mit Twitter bestätigt. Nicht gesagt wird, dass das Sonderkommando der Polizei von einer Cobra-Gruppe aus Österreich Unterstützung erhielt.

Auf TV-Bildern ist zu sehen, dass die gepanzerten Fahrzeuge die Barrikaden wegschieben. Wasserwerfer löschen mit Hamburger Leitungswasser das auf der Straße brennende Feuer, treffen auch die Plünderer der Läden von BUDNIKOWSKY und REWE, die mit ihrer Beute durch die Seitenstraßen fliehen. Mit dabei auch die Bereitschaftspolizei, die mit Pfefferspray die Lage beruhigen will. Noch bis vor kurzem waren hier auf dem Schulterblatt, zwischen dem «Neuer Pferdemarkt» und der «Rote Flora» über 2000 Menschen auf der Straße.

Am Samstag um 8 Uhr bin ich an dem Ort des Geschehens. Den S-Bahnhof Sternschanze sichern ein halbes Dutzend Bundespolizisten, ehemals Bundesgrenzschutz, der die Grenze zur DDR sicherte, die es durch den Beitritt zur BRD nicht mehr gibt. Der Weg über die Schanzenstrasse, Susannenstraße zum Schulterblatt ist ein Laufen über Glassplitter, vorbei an demontierten Straßenschildern und noch qualmenden Feuerstellen. Auf dem Schulterblatt in „Orange“ die Hamburger Stadtreinigung bei der Beseitigung des Mülls der letzten Nacht.

Dass es auch anders geht, das zeigte die Demonstration «Grenzenlose Solidarität statt G-20», an der mehrere zehntausend Bürger, von links bis liberal, christlich eingeschlossen, teilnahmen. Vor achtzigtausend Teilnehmern sagte das Opfer der Nazidiktatur Esther Bejarano: «Wir, eine Vereinigung der Überlebenden der Konzentrationslager, ihrer Angehörigen, ihrer Freundinnen und Freunde, haben uns zur Verteidigung demokratischer Rechte und Freiheiten der Menschen verpflichtet.

Es ist immer gut, wenn Menschen miteinander reden. Die UNO ist für die Lösung der Probleme der Welt nach den Erfahrungen der Weltkriege gegründet worden. Hamburg als Versammlungsort der G20 hat sich offensichtlich übernommen und sich würdelos gegenüber den protestierenden Gästen verhalten, Gerichtsbeschlüsse missachtet, hanseatische Gastfreundschaft, Gelassenheit und liberales Miteinander vergessen. Stattdessen wurde die Konfrontation gesucht. Vor allem Verbote ausgesprochen. Eigentlich wurde alles verboten, Kundgebungen, Aktionen und das Schlafen in Hamburg. Ganz besonders das Schlafen in Aktions-Camps, die gerade jungen Menschen Teilhabe an solchen Ereignissen erst möglich machen.

Die Botschaft war eindeutig: Für euch ist kein Platz bei unserem Gipfel. Das ist eine Schande!» Zum Ende ihrer aufrüttelnden Rede sagte sie: «Wir wünschen uns, dass ihr, weil es ja so bitter nötig ist, auch in Zukunft Widerstand leistet, wie damals die Widerstandskämpfer für ein Leben in Frieden und Freiheit für alle Menschen auf dieser Welt eintraten. Hier bei uns, in Europa und überall in der Welt. Die Egoisten und die Rassisten dürfen nicht Oberhand bekommen. Wir stehen an der Seite der Menschen, die für eine Welt des Friedens, der globalen Gerechtigkeit und der grenzenlosen Solidarität eintreten!»

Vor dem Beginn des G20 Gipfels sagte der Innensenator Andy Grote «Der G20 soll das Schaufenster eines modernen Polizeieinsatzes sein.»

Jan van Aken, Bundestagsabgeordneter der Linken fordert nach den gewalttätigen Prosteten am Rand desG20-Gipfels den Rücktritt des Hamburger Innensenators. »Grote hat alles verbockt, was zu verbocken war«, so der Bundestagsabgeordnete van Aken. Auch habe der SPD-Politiker Protestcamps wie auch großflächige Demonstrationsverbote verhängt. Der Forderung, das Aktionszentrum am Schulterblatt, die «Rote Flora» zu schließen, stellt er sich entgegen. Für ihn habe das politische Jungendzentrum eine wichtige Aufgabe, auch wenn hier Personen und Strömungen auftreten, die den etablierten Politikern nicht gefallen. Bürgermeister Scholz habe das nur ins Gespräch gebracht, um so seine Haut vor der Bundestagswahl 2017 zu retten.

Und dann gab es noch den Eingriff in die Pressefreiheit mit einem wohl beispielslosen Verstoß gegen den Datenschutz hierzulande. 32 Journalisten wurde beim G20-Gipfel nachträglich ihre Akkreditierung entzogen. Waren es die Hinweise von ausländischen Geheimdiensten – die der Türkei(?) – der Grund? Es waren Listen auf Papier, damit wurden die Betroffenen von Polizisten am Eingang zum Pressezentrum Messehallen in Hamburg aussortiert.

Anmerkungen: 21000 Polizisten war in Hamburg im Einsatz, darunter Polizisten aus Österreich und Dänemark, die 3000 Fahrzeuge, darunter Wasserwerfer und Motorräder, 19 Hubschrauber und von der Polizei des Bundesland Hessen ein Motorflugzeug. Eine wehrhafte Armada, die da in Hamburg zum Schutz von G20 bereitstand.
khw